Essen. Wahlplakate hängen erst wenige Tage, da sind schon erste Zerstörungen zu sehen – und primitivster Sexismus. Grüne appellieren an den Anstand.
Seit vielen Jahren beklagen die Essener Parteien ständig wachsende Zerstörungswut bei Wahlkampfplakaten, und auch im laufenden Landtagswahlkampf reißt das keineswegs ab – im Gegenteil. „Gleich am ersten Wochenende wurden drei unserer Großanlagen beschmiert oder zerstört“, sagt Thomas Frank, Geschäftsführer der Essener CDU. Das sei kein gutes Omen, denn die entsprechenden Plakate hingen teilweise erst wenige Stunden.
Sexismus der untersten Schublade gegen eine CDU-Kandidatin
Ein aktuell besonders krasser Fall: Auf der Rüttenscheider Straße in Höhe Grugapark sind Dutzende, an den Halterungen der Straßenbeleuchtung angebrachte Porträts der CDU-Landtagskandidatin Eva Großimlinghaus mit sexistischen Bemerkungen aus der alleruntersten Schublade versehen worden. „Wir werden umgehend Strafanzeige erstatten“, teilte die CDU im Netzwerk Facebook mit und zeigte dort auch eine Auswahl der beschmierten Plakate.
„An sich liegt mir die Opferrolle nicht und abhalten werden mich diese Schmierereien selbstverständlich auch nicht“, erklärte Großiemlinghaus. „Es ist allerdings erschreckend, dass sexistische Beleidigungen 2022 bei manchen Menschen kein Störgefühl auslösen.“ Diskriminierungen dürften nicht geduldet werden, und daher unterstütze sie die Strafanzeige.
Stets druckt die CDU doppelt so viele Plakate wie Plakatwände zurr Verfügung stehen
Weil die CDU aus Erfahrung weiß, was ihr blüht, werden stets doppelt so viele Plakate gedruckt wie Plakatwände zur Verfügung stehen. „Aber oft hat nicht einmal das gereicht und es musste nachgedruckt werden“, sagt Thomas Frank. Plakat-Ruinen sind alles andere als werbewirksam, daher dringe man im Vandalismusfall auf raschen Austausch, ist dabei aber auf die Firma Wesselmann als Dienstleister angewiesen. Doch käme das Unternehmen in der heißen Wahlkampfphase manchmal kaum hinterher.
Die CDU hat im letzten Bundestagswahlkampf sogar professionell wirkende Fälschungen von Wahlplakaten erlebt. Strafanzeigen sind in der Regel folgenlos. Die Täter lassen sich so gut wie nie ermitteln, auch im Fall Großimlinghaus ist das kaum zu erwarten. „Hin und wieder sieht man ja satirisch Verfremdetes, wenn es gut gemacht ist, kann man darüber ja sogar mal schmunzeln“, so der CDU-Geschäftsführer. Meistens sind die Schmierereien aber schlicht primitiv.
Thomas Frank hat das subjektive Gefühl, „dass die CDU immer am meisten von Vandalismus betroffen ist“, vielleicht noch mit der FDP als Leidensgenossen. Das würden die Grünen zumindest derzeit so nicht stehen lassen. Ihre Wahlplakate seien im laufenden Landtagswahlkampf vielmehr in besonderem Maße von Vandalismus betroffen, so die Grünen.
„Nahezu 100 Plakate wurden im gesamten Stadtgebiet abgerissen und zum Teil verkehrsgefährdend auf die Fahrbahn geworfen“, heißt es auf Anfrage. Auffallend sei, dass an den Stellen, an denen die Plakate der Grünen entfernt wurden, nunmehr Plakate von Rechtsaußen-Parteien hingen.
Grüne sehen in Vandalismus „bedenkliche Verachtung gegenüber dem demokratischen Diskurs“
Markus Ausetz, Sprecher der Essener Grünen, betont, es gehöre zum „Anstand, die Plakate und Aushänge der anderen Parteien zu respektieren und weder zu beschädigen noch zu verdecken“. Dieser gesellschaftliche Konsens scheine aber zu kippen. „Das Entfernen von Plakaten oder das Verunstalten darauf abgebildeter Personen geht über einen Dumme-Jungen-Streich hinaus.“ Neben einer strafbaren Sachbeschädigung, komme darin auch eine bedenkliche Verachtung gegenüber dem demokratischen Diskurs der Parteien zum Ausdruck, der grundgesetzlich ausdrücklich geschützt ist.
„Wir werden das Entfernen und Beschädigen unserer Plakate zur Anzeige bringen und vertrauen auf eine erfolgreiche Ermittlungstätigkeit von Polizei und Justiz, um diesen Angriff auf die Demokratie zu verfolgen,“ so Markus Ausetz weiter. Man solle gerade in diesen Zeiten dankbar dafür sein, dass sich ein breites Parteienspektrum den Bürgerinnen und Bürgern zur Wahl stellen kann, ohne staatliche oder gesellschaftliche Repressionen befürchten zu müssen. „Zu diesem Wettbewerb gehört seit den ersten Tagen der Demokratie das öffentliche Bewerben der eigenen Positionen und der Kandidierenden.“ Und nein, selbst wenn es die Parteien an manchen Stellen mit der Menge an Plakaten übertreiben mögen, rechtfertigt das keine eigenmächtige Zerstörung.
Auch die Essener SPD hat erste Erfahrungen mit Vandalismus gemacht, an der Huestraße und in der Nähe der Gustav-Heinemann-Gesamtschule sind nach Angaben von Guido Kleineheilmann, Mitarbeiter der Parteigeschäftsstelle, Großplakate beschädigt worden. Im Großen und Ganzen hätte die Wahlwerbung der SPD die ersten Tage aber überstanden.