Essen. Frühchen brauchen Nestwärme. Fehlen die Eltern, kuscheln an der Uniklinik Essen Ehrenamtliche mit Babys: Das Interesse an der Aufgabe ist riesig.

Sie sind winzig klein und kämpfen sich ins Leben: Dafür brauchen frühgeborene Babys neben Spitzenmedizin auch Zuwendung und Körperwärme von ihren Eltern. Doch manche von ihnen werden nie von Mama oder Papa besucht. „Dann melden sich die Krankenschwestern bei uns und wir kommen zum Kuscheln“, so bündig beschreibt Inken Ostermann den Kinderkrankenhausbesuchsdienst des Essener Kinderschutzbundes. Der existiert schon seit 40 Jahren und hat dieser Tage um ehrenamtliche Verstärkung gebeten. „Die Resonanz ist überwältigend, wir haben mehr als 300 Anfragen bekommen“, teilt der Kinderschutzbund jetzt mit und dankt allen Interessenten.

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Essener Team sucht Hilfe beim sogenannten „Kangarooing“

Fünfköpfig ist das jetzige Team um Inken Ostermann, das im Essener Uniklinikum im Einsatz ist: auf der Kinderstation, wo die Ehrenamtlichen mit Kindern spielen oder ihnen vorlesen, sowie auf der sogenannten Frühchenstation (Perinatalzentrum). Dank der vielen Interessenten, die sich in den vergangenen Tagen gemeldet haben, kann sich das Team zeitnah um fünf Nachrücker verstärken. Der Kinderschutzbund hofft, einige der weiteren Freiwilligen für andere Aufgaben gewinnen zu können, etwa als Vorlese- oder Spielplatzpaten. (Infos siehe Textende).

Die Nachrücker sollen vor allem beim Kangarooing mit den Frühchen eingesetzt werden. Dabei machen es sich die Ehrenamtlichen in einem Liegesessel bequem, und die winzigen Babys werden ihnen auf die Brust gelegt. „Nicht auf die nackte Brust“, wie es die Mütter beim klassischen Kangarooing tun, ergänzt Ostermann. Auch so spürten die Kinder die Körperwärme, entspannten sich.

Blick auf die Frühchenstation im Essener Uniklinikum. 
Blick auf die Frühchenstation im Essener Uniklinikum.  © Jochen Tack | Jochen Tack

Dass die Mütter oder Väter nicht selbst mit den Babys schmusen, habe viele Gründe: Manche haben mehrere kleine Kinder, um die sie sich zu Hause kümmern müssen. Andere sind selbst schwer krank. Wieder andere kommen – die Uniklinik hat ein großes Einzugsgebiet – von weit her, können die Fahrt nach Essen mangels Auto nicht regelmäßig zurücklegen. In solchen Fällen springt der Kinderkrankenhausbesuchsdienst ein, sofern die Eltern der Kinder zustimmen, und in enger Abstimmung mit dem Pflegepersonal. „Wir haben den Anspruch, dass das Baby jeden Tag besucht wird“, sagt Inken Ostermann.

Diesen Anspruch – für derzeit vier Kinder – lösen sie im Team ein: Besprechen alle zwei Wochen, wer wann kommt; tauschen sich in einer Whatsapp-Gruppe aus. Jede Ehrenamtliche habe nicht mehr als ein, höchstens zwei Einsätze pro Woche. Berufstätige kommen oft am Wochenende. Jeder Einsatz zähle, sagt Ostermann den anderen Ehrenamtlichen: „Wenn Du nicht da bist, kommt keiner.“

In der Uniklinik Essen besuchen Ehrenamtliche Babys, deren Eltern nicht kommen

Die 60-Jährige selbst nimmt sich zwei Stunden Zeit für die Frühchen: „Ich singe ihnen etwas vor: von Kinderliedern bis zum Steigerlied. Bei mir schlafen alle Babys ein.“ Wenn sie wach sind, erzähle sie ihnen, dass sie groß und stark werden, spiele sanft mit ihren Fingern, summe, beruhige sie, wenn sie weinen oder unruhig sind. Im Team sind vor allem Mütter und Großmütter; Inken Ostermann ist kinderlos: „Ich wollte immer Kinder haben; es hat sich nicht ergeben.“ Für die Aufgabe benötige man keine Vorerfahrung, sondern nur gesunden Menschenverstand und Zutrauen im Umgang mit den zarten Frühchen.

„Es braucht nur die Freude, einem Kind ein bisschen Liebe zu geben“, sagt Inken Ostermann, ehrenamtliche Koordinatorin des Kinderkrankenhausbesuchsdienstes.
„Es braucht nur die Freude, einem Kind ein bisschen Liebe zu geben“, sagt Inken Ostermann, ehrenamtliche Koordinatorin des Kinderkrankenhausbesuchsdienstes. © IO

Die seien verkabelt, beatmet, von Monitoren bewacht, sagt Inken Ostermann. „Ich hab’ da keine Angst.“ Sie hat miterlebt, wie Kinder zwei Jahre lang dem Tod näher waren als dem Leben – und es am Ende gesund nach Hause geschafft haben. Die allermeisten würden viel früher entlassen: „Na, Du kleiner Dickmops“, sage sie, wenn sie mit 3000 Gramm nach Hause gehen.

Ablenkung für die Kinder, Entlastung für die Familien

Inken Ostermann, die erst Sterbebegleiterin war (und bis heute ist), bevor sie vor gut sieben Jahren zum Kinderkrankenhausbesuchsdienst kam, verschweigt nicht, dass es auch schwere Schicksale gibt: die Mutter, die bei der Geburt starb, Babys, die es nicht schaffen, Kinder, deren Zuhause seit langem ein Krankenzimmer ist. Sie kommt, um sie zu trösten, abzulenken, den Familien beizustehen. Viel brauche es dafür nicht: „Nur die Freude, einem Kind ein bisschen Liebe zu geben.“

>>> INFO: So kann man sich beim Kinderkrankenhausbesuchsdienst engagieren

  • Den Kinderkrankenhausbesuchsdienst des Essener Kinderschutzbundes gibt es seit 1982. Einsatzorte sind die Kinderstation der Uniklinik Essen, wo die Ehrenamtlichen mit den Kindern spielen, malen oder ihnen vorlesen, sowie die „Frühchenstation“ (Perinatal-Zentrum). Die Kinderklinik meldet sich beim Besuchsdienst, wenn Eltern ihren Säugling oder ihr Kind nicht besuchen können. Ehrenamtliche brauchen ein Erweitertes Führungszeugnis.
  • Heike Pöppinghaus leitet den Fachbereich Kinderschutz und ist Ansprechpartnerin für ehrenamtlich Engagierte im Kinderschutzbund. Sie freut sich, dass sich über 300 Freiwillige für einen Einsatz beim Besuchsdienst gemeldet haben; einsetzen könne sie dort nur fünf von ihnen. „Wir suchen jedoch auch dringend ehrenamtliche Mithilfe in anderen Kinderschutzeinrichtungen und –projekten.“ Die Ehrenamtlichen könnten etwa in den „Lernhäusern“ Kindern bei den Hausaufgaben helfen, als Vorlesepaten in Kitas gehen oder als Spielplatzpaten tätig werden.
  • Weitere Infos auf: www.dksb-essen.deKontakt per Mail an: info@dksb-essen.