Essen. Anastasia Kobekina war in Essen für Cello-Star Sol Gabetta eingesprungen. Den Auftritt nutzte die Russin auch für eine persönliche Erklärung.
Der Saal hält den Atem an, als sich die russische Cellistin Anastasia Kobekina am Ende ihres Konzerts ans Publikum wendet und ihre Abscheu vor dem Krieg in der Ukraine erklärt: „Musik kann nicht den Krieg stoppen, aber kann trösten und Hoffnung geben.“ Die Zugabe, Claude Debussys „Bon Soir“, wird in konzentrierter Stille aufgenommen wie ein Gebet; danach verharrt das Publikum in langem Schweigen, bis ein Sturm des Beifalls losbricht, der in diesem Fall sicherlich nicht nur dem ausgezeichneten Kammermusikabend, sondern auch der Solidaritätsadresse der sichtbar bewegten Künstlerin gilt.
Anastasia Kobekina gehört zu den ganz großen Begabungen in der jungen Cellistenszene. Ihr Debüt in der Philharmonie gemeinsam mit ihrem Klavierpartner Jean-Sélim Abdelmoulam kam kurzfristig zustande: Sol Gabetta hatte sich eine Schnittverletzung zugezogen, musste absagen und empfahl die junge Kollegin als Einspringerin.
Was Kobekina auszeichnet: ein feinsinniger, stets ausgeglichener Ton
Was Kobekina auszeichnet, ist ein feinsinniger, stets ausgeglichener Ton. Ihn kann sie wie in der für Cello bearbeiteten A-Dur-Violinsonate des vor 200 Jahren geborenen César Franck kraftvoll steigern und ausladend färben, aber im nächsten Moment auch zurücknehmen in Piano-Delikatesse. Die verschattete Diskretion des leisen Töne schafft im Mittelteil der d-Moll-Sonate Claude Debussys, einer eigentlich ironisch gemeinten „Sérénade“, Inseln des Träumens in einem magischen Meer flirrender, fiebriger Klänge.
Jean-Sélim Abdelmoulam ist ein sensibel mitagierender Partner: Er versteht sich auf die kantablen Momente ebenso wie auf entschiedene, aber nicht überzogene Akzente. Die stets beherrschte Dynamik bedrängt nie den Ton des Streichinstruments, einem kostbaren Guadagnini-Cello von 1743.
Das kontrollierte Feuer dieses Musizierens tut auch den Fantasiestücken von Robert Schumanns Opus 73 wohl; in Johannes Brahms‘ F-Dur-Sonate op. 99 hätte man sich vor allem im letzten Satz etwas mehr spontane Frische vorstellen können.