Dortmund. So viel Licht die „Sonne“ Sol Gabetta zur Eröffnung zur Dortmunder Konzerthaus-Saison gab, so fiel die Klasse nach dem Auftritt der Cellistin ab.

Der Kontrast hätte größer kaum sein können. Auf die Funken sprühende, beschwingt-elegante Ouvertüre zur Shakespeare-Oper „Béatrice et Bénédict“ von Hector Berlioz folgt zur Saisoneröffnung im Konzerthaus Dortmund das 2. Cellokonzert von Dmitri Schostakowitsch, ein Werk aus dem Abgrund grüblerischer Depression.

Was aus diesen Tiefen empor steigt, klingt unter den Händen der Cellistin Sol Gabetta zunächst völlig weltverloren. In größter Ruhe schickt sie sich an, uns die Schrecken vor Ohren zu führen, die Schostakowitsch gezeichnet haben: das Arbeiten unter dem Regime Josef Stalins, das für den Komponisten – und nicht nur für ihn – ständige Lebensgefahr bedeutete.

Voller Entdeckerdrang: Star-Cellistin Sol Gabetta spielt in Dortmund einen herausragenden Schostakowitsch

Voller Entdeckerdrang blättert Sol Gabetta durch diese tönende Chronik, gemeinsam mit dem Orchestre Philharmonique de Radio France unter seinem finnischen Chefdirigenten Mikko Franck. Vom düsteren Largo ausgehend, steigern sie die Musik zu schrillen Zumutungen, zur fratzenhaften Groteske. Gabetta erfüllt die dissonanten Doppelgriffe mit grellem Licht und schneidender Intensität. Sie liefert sich einen brutalen Schlagabtausch mit der großen Trommel, lässt ihr Instrument im Bass-Register störrisch brummeln, gönnt uns aber auch Inseln wohlklingender Befriedung. Das Orchester steuert verzerrte Märsche und absichtsvoll obszöne Fanfaren bei.

Bei Tschaikowskys „Pathétique“ konnte das Niveau nicht gehalten werden

Dieses hohe künstlerische Niveau können Franck und das Orchester nach der Pause nicht halten. Tschaikowskys 6. Sinfonie („Pathétique“) gerät über weite Strecken pastos, mit überlautem Blech und einem schwammigen Streicher-Kolorit, das zwar Glut auf der G-Saite kennt, aber nur wenig von Tschaikowskys Verzweiflungsklang. Franck liebt die ausladende Geste, fügt dem ohnehin erschütternden Werk aber eine Theatralik zu, die seiner Botschaft oft schadet.

Wo der Dirigent sich mehr zurücknimmt, strömt die Musik freier dahin. In der noblen Melancholie des „Valse triste“ seines Landsmanns Jean Sibelius ist Franck in der Zugabe ganz bei sich.