Essen. In Rüttenscheid streiten CDU und Grüne wieder um eine Fahrradstraße. Diesmal geht es um die Wittekindstraße. Was dafür spricht, was dagegen.
An Sinn und Unsinn der Umwidmung der Rüttenscheider Straße zur Fahrradstraße scheiden sich nach wie vor die Geister. Längst ist der Streit zwischen Befürwortern und Gegnern zum Politikum herangewachsen. Nun wird hinter den Kulissen abermals über eine Fahrradstraße diskutiert. Diesmal geht es um die Wittekindstraße. Und abermals knirscht es zwischen CDU und Grünen.
Die Fahrbahn der Wittekindstraße ist arg mitgenommen. Die Stadt will die Straße erneuern und die Gunst der Stunde nutzen, ist sie doch eine wichtige Verbindung zwischen der Rüttenscheider Straße und Wittenbergstraße; beide sind Bestandteil des Fahrrad-Hauptroutennetzes.
Die Stadt Essen hat drei Varianten für den Umbau der Wittekindstraße geprüft
Die Wittekindstraße soll deshalb so umgebaut werden, dass sie für Fahrradfahrende attraktiver wird. Gleichzeitig möchte die Stadt die beliebte Grugaradtrasse – sie verläuft parallel zur Wittekindstraße – besser an den Stadtteil Rüttenscheid anbinden.
Das Amt für Straßen und Verkehr hat verschiedene Varianten geprüft. Das Ergebnis: Die Verwaltung favorisiert die Umwidmung der Wittekindstraße zur Fahrradstraße. Noch liegt der Politik jedoch kein Vorschlag zur Abstimmung vor, erwartet wird ein solcher für die März-Sitzungen der zuständigen Gremien. Dafür gibt es Gründe. Es geht um Parkplätze, um Bäume und um Bauvorhaben im unmittelbaren Umfeld.
Eine Fahrradstraße würde aus Sicht der Verwaltung den geringsten Eingriff in den Straßenraum bedeuten. Die Zahl der „ordentlichen“, also genehmigten Pkw-Stellplätze entlang der Wittekindstraße würde gar erhöht, so heißt es – und zwar von heute 105 auf 120. Allerdings fielen 40 Stellplätze weg, die nicht genehmigt sind, aber bislang von der Stadt geduldet werden. Aus Sicht jener, die dort parken, wäre es unterm Strich also ein Verlust an Parkplätzen. Die Situation entlang der Straße – gemeint sind Bäume und Begrünung – würde hingegen verbessert, ohne dass dies näher spezifiert wird.
Anders sähe es aus, würde die Wittekindstraße so umgestaltet, dass neben der Fahrbahn ein sogenannter Radfahrstreifen angelegt wird, wie es an vielen Hauptverkehrsstraßen in Essen der Fall ist. Die Verwaltung gibt zu bedenken, dass dann Bäume und eine Hecke entlang der Straße weichen müssten. Und: Es drohe ein „massiver Verlust von Stellplätzen“. Konkrete Zahlen nennt die Verwaltung in einem Papier, das in Reihen der Politik bereits diskutiert wird, nicht.
Die beliebte Grugatrasse soll besser an Rüttenscheid angebunden werden
Neben dem Bau eines Radfahrstreifens scheidet aus Sicht der Verwaltung eine weitere Variante aus. Gemeint ist ein 3,50 Meter breiter Gehweg entlang der südlichen Straßenseite, den auch Fahrradfahrer benutzen dürften. Zwar sieht die Stadt nur „geringe Konflikte“, allerdings hatten sich sowohl die Fahrradverbände als auch der Verein Fuss e.V., der die Interessen von Fußgängern vertritt, dafür ausgesprochen, Fuß- und Radverkehr voneinander zu trennen.
Läuft es also auf eine Fahrradstraße hinaus? Stephan Neumann, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen im Rat der Stadt, kann darin nach eigenen Worten nur Vorteile erkennen. Anders als an der Rüttenscheider Straße gibt es an der Wittekindstraße kaum Gastronomie und keinen Einzelhandel. Drohende Konflikte, vermag Neumann deshalb nicht zu erkennen. „Wenn eine Fahrradstraße auf der Rüttenscheider Straße möglich ist, dann ist sie auf der Wittekindstraße auch möglich.“
Vorteile sieht der Grünen-Politiker auch für all jene, die auf der Grugatrasse aus Richtung Ruhrtal nach Rüttenscheid und von dort weiter in die Innenstadt wollen. Radfahrer könnten von der Radtrasse über die Wittekindstraße direkt auf die Rüttenscheider Straße gelangen.
Nicht jeder teilt die Begeisterung des Grünen-Politikers. Markus Panofen, Sprecher der CDU in der Bezirksvertretung II, sieht in der Umwidmung der Wittekindstraße zur Fahrradstraße keinen zusätzlichen Nutzen, eben weil es die Grugatrasse ja schon gibt. Warum soll die Stadt parallele Strukturen für den Radverkehr schaffen, fragt Panofen, betont aber, dass es sich um seine persönliche Meinung handele.
Um von der Grugatrasse auf die höher liegende Rüttenscheider Straße zu gelangen, nutzen Fahrradfahrer heute eine Rampe, die vom Messeparkplatz P2 auf die Wittekindstraße führt. Genau dort, unweit der Rüttenscheider Brücke, soll der Neubaukomplex der Hopf-Gruppe entstehen. Auch deshalb gibt es Bedenken gegen eine Fahrradstraße.
Tempo 30 und die Folgen
Auf der Wittekindstraße fahren nach Angaben der Stadt Essen täglich 6800 Kraftfahrzeuge. Auf dem 200 Meter langen Straßenabschnitt zwischen Rüttenscheider Straße und Ursulastraße gilt Tempo 20, auf den folgenden 800 Metern bis zur Wittenbergstraße Tempo 50. Sollte die Wittekindstraße zur Fahrradstraße werden, würde die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf der gesamten Straße auf 30 Km/h begrenzt. Fahrradfahrer hätten Vorrang vor dem Autoverkehr und dürften auch nebeneinander fahren.
Auf der Wittekindstraße verläuft die Buslinie 142 von Kettwig über Rüttenscheid nach Rellinghausen. Sollte die Wittekindstraße zur Fahrradstraße werden, würde sich die Fahrtzeit der Busse auf diesem Streckenabschnitt um 37 Sekunden verlängern.
Eine solche spielt im Bebauungsplanverfahren bislang keine Rolle. Das Verkehrsgutachten müsste laut Planungsverwaltung im Zweifel überarbeitet werden. Dabei geht es weniger um die Frage der Zufahrt in die Tiefgarage des in Rüttenscheid umstrittenen Bauvorhabens, als darum, den Bebauungsplan gegen etwaige Klagen rechtssicher zu machen, wie Essens Planungsdezernent Martin Harter erläutert.
Bedenken gegen eine Fahrradstraße gibt es aus Reihen der CDU, wie Markus Panofen bestätigt, auch wegen einer möglichen Erweiterung des Krupp-Krankenhauses. Konkrete Pläne dazu gibt es nach Angaben des Krankenhauses nicht.
„Diese Fragen müssen geprüft werden“, sagt Ulrich Beul, verkehrspolitischer Sprecher der CDU-Ratsfraktion. Sollten die Bauvorhaben der Fahrradstraße nicht entgegenstehen, spräche nach seiner Ansicht nichts gegen eine solche, sagt Beul. Abzuwarten bleibt, ob seine Parteifreunde vor Ort das genauso sehen.