Essen-Fulerum. Eine Erinnerungstafel für den kommunistischen Bildhauer Will Lammert ist in Fulerum enthüllt worden. Vorausgegangen war ein politischer Streit.
Eine Gedenktafel für den Bildhauer Will Lammert haben Mitglieder der Bezirksvertretung, des Rates und des Historischen Vereins jetzt im Eingangsbereich des Südwestfriedhofs enthüllt. Lammert gehörte bis 1933 zur Künstlerkolonie Margarethenhöhe, seine Werke sind bis heute im Essener Stadtbild zu sehen. Im Vorfeld hatte das Thema wegen der kommunistischen Vergangenheit des Künstlers für heftige Diskussionen gesorgt.
Die Bezirksvertretung III für den Essener Westen will mit der Tafel den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit geben, sich mit der Geschichte des Südwestfriedhofs und dessen Bedeutung für die Erinnerungskultur der Stadt auseinanderzusetzen. Auch eine Beschäftigung mit Leben und Werk des Künstlers Will Lammert soll so angestoßen werden. „Ich glaube, die Entscheidung für die Gedenktafel war genau richtig, um daran zu erinnern, was Will Lammert geleistet hat“, sagte Bezirksbürgermeisterin Doris Eisenmenger (Grüne), die die Tafel gemeinsam mit Hans Schippmann, dem Ehrenvorsitzenden des Historischen Vereins, enthüllte.
Die Angehörigen des Künstlers wollten ursprünglich zur Enthüllung der Tafel kommen
Auch die in Berlin lebenden Angehörigen des Künstlers (1892-1957) hätten die Aufstellung der Tafel sehr begrüßt. Sie wären gern zur Enthüllung gekommen und seien nur durch Corona daran gehindert worden, so Doris Eisenmenger. „Wir werden ihnen aber auf jeden Fall Fotos schicken.“
Konzeption und Umsetzung waren in enger Abstimmung mit dem Historischen Verein für Stadt und Stift Essen sowie der Familie Lammerts erfolgt. Die Tafel ist unmittelbar hinter dem Haupteingang des Friedhofs an der Fulerumer Straße zu finden.
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Ursprünglich war eine Benennung des bisher namenlosen Vorplatzes des Südwestfriedhofs in Will-Lammert-Platz im Gespräch gewesen. Die Parteien in der Bezirksvertretung hatten lange um die Ehrung für den Bildhauer gestritten, der in Essen wirkte. Die CDU-Fraktion in der BV III hatte sich gegen die Platzbenennung und auch gegen eine Gedenktafel ausgesprochen, weil man keinen kommunistischen Künstler ehren wolle. Die Fraktionsmitglieder waren auch jetzt der Enthüllung ferngeblieben – aus beruflichen beziehungsweise gesundheitlichen Gründen.
Die Bezirksvertretung war für die Platzbenennung nicht zuständig
Eine Mehrheitsentscheidung der BV III für den Namen Will-Lammert-Platz vom November 2019 war ohne Konsequenz geblieben, da das Gremium keine Entscheidungsgewalt in dieser Frage hatte. Der Friedhofsvorplatz mit der Adresse Fulerumer Straße 15 b ist laut Stadt von überörtlicher Bedeutung. Somit wäre der Hauptausschuss des Rates für eine Benennung zuständig gewesen. Der wiederum hatte das Thema in den Ältestenrat geschoben. „Wir als BV haben uns dann auf die Gedenktafel konzentriert“, so Doris Eisenmenger.

Als junger Künstler sei Lammerts Arbeit durch ein Stipendium in der Villa Massimo in Rom, der Einrichtung zur Förderung deutscher Künstler, ausgezeichnet worden. Auch der Kunstmäzen Karl Ernst Osthaus habe viel von Lammert gehalten, erklärt Hans Schippmann, langjähriger CDU-Politiker. Im Rahmen der Ausstellung „Aufbruch im Westen. Die Künstlersiedlung Margarethenhöhe“ im Ruhrmuseum war Lammert als Mitinitiator und Mitglied der bedeutenden Künstlersiedlung gewürdigt worden. So war die Idee entstanden, auch im Stadtteil dauerhaft an ihn zu erinnern.
Der Künstler lebte und arbeitete auf der Margarethenhöhe
Der Bildhauer Will Lammert lebte und arbeitete von 1922 bis 1933 auf der Margarethenhöhe.Er gehörte zur dortigen Künstlerkolonie, die als künstlerisches Experiment von großer Bedeutung für die kulturelle Entwicklung der Stadt Essen gilt und die in den 1930er Jahren aufgelöst wurde. Von ihr existiert heute nur noch die Keramikwerkstatt Margarethenhöhe, die auf Zeche Zollverein beheimatet ist.
Dass Lammert den Kommunisten nahe stand, ist unbestritten. Das gilt aber auch für die künstlerische Qualität seiner Werke, so Hans Schippmann, der Lammert als einen der drei bedeutendsten Essener Bildhauer des vergangenen Jahrhunderts würdigte. Der pensionierte Lehrer Schippmann hatte sich nach eigenen Angaben während des Studiums der Kunstgeschichte intensiv mit dem Bildhauer beschäftigt. Werke von Will Lammert sind noch heute unter anderem am Südwestfriedhof und auf der Margarethenhöhe zu sehen.
Die Nationalsozialisten vernichteten Werke von Lammert am Südwestfriedhof
Am Südwestfriedhof an den Künstler zu erinnern, biete sich an, weil dort Werke des von den Nationalsozialisten verfolgten und vertriebenen Künstlers demonstrativ vernichtet worden seien. Mit den beiden Scheitelsteinen am Friedhofseingang und dem „Segnenden Christus“ in der Einsegnungshalle sind dort noch zwei bedeutende Werke von Lammert erhalten. Dass der Künstler eher kleine Figuren schuf, war laut Schippmann einer Kriegsverletzung geschuldet, durch die eines seiner Beine verkürzt gewesen sei.
Schippmann hält die Gleichung „Kommunist gleich Bösewicht“ für zu einfach. Lammert sei 1932 in die kommunistische Partei Deutschlands (KPD) eingetreten, auch um seine jüdische Frau zu schützen. Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten emigrierte Lammert 1933 mit seiner Familie nach Paris, reiste dann weiter in die Sowjetunion und lebte später in der DDR.
1959 wurde ihm posthum der Nationalpreis der DDR verliehen. „Lammert war kein Stalinist. Er hat die Menschlichkeit immer in den Vordergrund gestellt“, so Schippmann. Mit seinem Plädoyer für die Ehrung von Will Lammert hatte sich der CDU-Politiker klar gegen die Meinung etlicher seiner Parteikollegen gestellt.