Essen-Rüttenscheid/Werden. In den Slow-Food-Genussführer schaffen es Restaurants, die regional, gesund und fair kochen. Zwei Essener Betriebe sind in diesem Jahr dabei.
Über 500 Restaurants in ganz Deutschland enthält der Slow-Food-Genussführer. Aufgenommen zu werden, ist nicht einfach. Zu den Kriterien gehören unter anderem der Einsatz von frischen und saisonalen Zutaten aus der Region und der Verzicht auf Geschmacksverstärker und Zusätze. Das Gegenteil von Fast Food eben. Zwei Essener Restaurants haben es in diesem Jahr in den Genussführer geschafft: die „Rotisserie du Sommelier“ in Rüttenscheid und die Kochschule „Lecker Werden“.
Beide Betriebe verteidigen schon seit 2016 ihren Platz im Genussführer. Jedes Jahr müssen sie sich seitdem dem strengen Test unterziehen. Wie Manfred Weniger, Mitglied der Essener Slow-Food-Testgruppe, erklärt, werden die Restaurants teils über Monate begleitet. „Wir schauen uns die Lokale und ihre Speisekarte an und dann kommen wir zu einem Testessen, von dem der Wirt nichts weiß“, erklärt er. Anschließend gebe es noch mehrere Besuche und Gespräche mit den Gastronomen.
Slow-Food-Genussführer legt Wert auf regionale und saisonale Küche
„Wir achten darauf, dass das Essen gut, sauber und fair ist“, sagt Weniger. Man überprüfe unter anderem, ob die Lieferanten faire Preise bekommen und ob das Personal unter guten Bedingungen arbeite. Besonderen Wert lege der Genussführer auf regionale und saisonale Kompetenz. Ein Beispiel: „Wenn gerade keine Saison dafür ist, sollten keine Erdbeeren und kein Spargel auf der Karte stehen.“ Aber auch den Lieferanten der Gaststätten schaue man auf die Finger. „Wir achten zum Beispiel darauf, dass die Tiere für die Fleischproduktion gut behandelt werden.“
Patrick Jabs, Inhaber des „Lecker Werden“, versucht, im Restaurantalltag alle Punkte umzusetzen, die auch den Experten des Genussführers wichtig sind. „Bei mir gibt es kein Fleisch aus Massentierhaltung oder Produkte aus Übersee. Den Wein beziehe ich nur von deutschen Winzern“, sagt der Gastronom. Sei eine Zutat einmal nicht in Deutschland zu bekommen, dann weiche er auf die europäischen Nachbarländer aus, keinesfalls aber auf andere Kontinente.
Essener Gastronom verbindet französische und westfälische Küche
Dass diese Art zu kochen vor allem im Ruhrgebiet manchmal gar nicht so einfach ist, bestätigt Thomas Friedrich, Inhaber der „Rotisserie du Sommelier“. „An Gemüse kommt man noch ganz gut, bei Fleisch und Käse kann es manchmal schwierig werden, gute und zuverlässige Lieferanten zu finden“, so seine Erfahrung. Vor allem in der Corona-Pandemie: „Da haben die Menschen mehr gekocht und bei den regionalen Bauern eingekauft, sodass diese noch weniger auf uns Gastronomen angewiesen waren.“
Der Slow-Food-Genussführer legt auch Wert auf traditionelle Küche, die im besten Fall mit modernen Entwicklungen der Gastronomieszene vereint wird. Genau das ist seit 20 Jahren Friedrichs Konzept. „Ich verbinde französische Küche mit traditionellen westfälischen Rezepten“, betont er. So stünden zum Beispiel französische Pasteten mit regionalem Wurzelgemüse auf der Speisekarte. Wichtig ist ihm auch, alte Klassiker und Neues zu verbinden. „Bei mir gibt es zum Beispiel das typische zerkochte Gemüse, das man von der Oma kennt. Den Geschmack hat jeder von uns noch auf der Zunge“, sagt Friedrich. „Soßen mache ich dagegen gern leichter als es früher Tradition war.“
Essener Restaurantinhaber verwenden gerne seltene Zutaten
Aktueller Genussführer ist als App verfügbar
Die neue Ausgabe des Slow-Food-Genussführers ist wegen der Corona-Pandemie nicht als gedruckte Version, sondern als App für Android und iOS verfügbar.Im Genussführer enthalten sind mehr als 500 Gasthausempfehlungen vom Allgäu bis zur Waterkant, vom Saarland bis in die Lausitz.Alle Lokale werden ausführlich beschrieben, sodass klar ist, warum ausgerechnet sie eine Empfehlung wert sind. Getestet werden die Restaurants von ehrenamtlichen Testgruppen vor Ort.
Beide Gastronomen haben außerdem ein Herz für seltene Zutaten, die etwa in Deutschland kaum noch gezüchtet werden und deshalb nur selten verfügbar sind. „Ich habe am Wochenende zehn Kilo Höri-Bülle ergattert. Die gibt es demnächst bei uns“, erzählt Jabs zum Beispiel. Höri-was? „Das ist eine platt gedrückte Zwiebel, die auf der Bodensee-Insel Höri angebaut wird.“ Und Friedrich berichtet, dass seine Mitarbeiter und er in regelmäßigen Abständen viel Zeit investieren, um die sogenannte Baumwollquitte einzukochen.
Für die beiden Restaurantinhaber ist die Erwähnung im Slow-Food-Genussführer in erster Linie eine Anerkennung ihrer Arbeit. Denn: „Man kann sich das Leben als Gastronom auch deutlich einfacher machen“, betont Friedrich. Man gewinne auf diesem Weg aber auch viele neue Gäste. „Wir merken deutlich, dass der Genussführer in jedem Jahr an Popularität gewinnt. Gerade zur Messezeit hören wir von vielen Gästen, dass sie so auf uns aufmerksam geworden sind.“