Essen-Kettwig. Petra Bandura hat 18 Jahre die Stadtteilbücherei Essen-Kettwig geleitet. Zum Abschied in den Ruhestand spricht sie über das, was ihr Herz bewegt.

Kaum jemand, der die Kettwiger Stadtteilbücherei besucht, der nicht ein paar Worte mit ihr gewechselt hat, der nicht mit Leseanregungen versorgt wurde oder Neuigkeiten „aus dem Dorf“ mit ihr geteilt hat: Petra Bandura. Sie ist als Leiterin der Einrichtung im Kringsgat 17 auch ihr „Gesicht“. Doch nun heißt es Abschied nehmen. Nach 18 Jahren in Kettwig und insgesamt 43 Jahren im Dienst der Stadtbibliothek Essen geht die bald 64-Jährige in den Ruhestand.

Ihre Begeisterung fürs Lesen will sie weitergeben

Am 28. Januar ist ihr letzter Arbeitstag. Den wollten sie eigentlich ein bisschen feiern, die Mitarbeiterinnen und die Mitglieder des Förderkreises der Stadtteilbücherei mit den lesefreudigen Kettwigern – doch wegen Corona geht das nicht. „Ich verabschiede mich also seit einiger Zeit so nach und nach vom treuen Stammpublikum“, sagt Petra Bandura und lächelt.

Nach 18 Jahren als Leiterin der Stadtteilbibliothek Kettwig geht Petra Bandura in den Ruhestand. Insgesamt war sie 43 Jahren im Dienst der Stadtbibliothek Essen tätig.
Nach 18 Jahren als Leiterin der Stadtteilbibliothek Kettwig geht Petra Bandura in den Ruhestand. Insgesamt war sie 43 Jahren im Dienst der Stadtbibliothek Essen tätig. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

So richtig vorstellen kann man es sich nicht, dass Petra Bandura aufhört. Sie, die beim Gang durch die Regale immer mal das eine oder andere Buch zurecht schiebt, die einem kleinen Besucher eine besonders schöne Abenteuergeschichte schmackhaft macht oder einer Rentnerin den neuesten Thriller offeriert: Es ist diese Begeisterung für Bücher, die sie weitergibt. „Bücher gehören auch weiter zu meinem Leben, aber es gibt ja noch viele andere Dinge, zu denen ich in all den Jahren einfach keine Zeit hatte. Die sind jetzt dran“, erklärt sie augenzwinkernd.

In Zukunft möchte Petra Bandura mehr reisen

Reisen zum Beispiel. Nach Rom mit der Enkelin. Nach Nebra in Sachsen, um die berühmte Himmelsscheibe zu sehen. Fossilien im Steinbruch suchen mit dem Enkel. Und öfter mal ins Aalto-Theater gehen. „Meine Lieblingsoper ist ‘Turandot’ von Puccini.“ 22 Mal habe sie die schon erlebt, „das ist verrückt, aber die Lieder greifen ganz tief in mich rein“.

An der Ausleihtheke ist Petra Bandura noch bis zum 28. Januar 2021 tätig.
An der Ausleihtheke ist Petra Bandura noch bis zum 28. Januar 2021 tätig. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Ganz tief im Herzen verwurzelt ist sicherlich auch die Zeit, die sie in Kettwig verbracht hat. Die Menschen seien schon etwas Eigenes, der Ort funktioniere noch mehr wie ein Dorf: „Man ist füreinander da, das hat man im Lockdown gemerkt, als ‘Kettwig hilft’ direkt was auf die Beine gestellt hat.“

Im Lockdown durfte nur vom Fenster bedient werden

Apropos Lockdown und Corona: Die Zeit der Schließung sei sehr bedrückend gewesen. „Dann durften wir ja zumindest am Fenster vorbestellte Medien herausgeben.“ Die Klingel, die dazu am Fensterrahmen befestigt war, liegt wieder in der Verpackung. „Hoffentlich wird sie nicht noch einmal gebraucht.“

Petra Bandura (links) mit Anja Flicker, Chefin der Stadtbibliothek Essen, und Erich Schmidt-Dransfeld vom Förderkreis der Stadtteilbücherei.
Petra Bandura (links) mit Anja Flicker, Chefin der Stadtbibliothek Essen, und Erich Schmidt-Dransfeld vom Förderkreis der Stadtteilbücherei. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

In Kettwig hat Petra Bandura, die damals Petra van der Sanden hieß, übrigens schon am Anfang ihrer Ausbildung Bücher an der Ausleihtheke herausgegeben. „Ich war gerade zwei Tage angestellt, da musste ich nach Kettwig aushelfen. Ich wurde direkt ins kalte Wasser geschubst.“ Es folgten unter anderem die Büchereistandorte Heisingen, Bergeborbeck, Karnap und Überruhr, in denen die gelernte Buchhändlerin ihr Wissen um Verbuchung und Leseförderung schärfte.

Leseförderung ist ihr ein wichtiges Anliegen

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Leseförderung ist das Stichwort. Die gebürtige Huttroperin ist Tochter eines Elektrikers unter Tage. „Mein Vater hat vieles gelesen, doch selbst Bücher zu kaufen, das ging nicht immer. Wir sind deshalb zur Bücherei nach Steele gefahren. Da habe ich mir dann ‘Henriette Bimmelbahn’ (die kennen auch meine Kinder) und später alle Bücher der ‘Fünf Freunde’ ausgeliehen.“

Dass ihr Vater damals als „Arbeiter“ einmal brüsk abgewiesen wurde, weil er an der Theke die „Blechtrommel“ von Grass ausleihen wollte, hat er seiner Tochter später beim Amtsantritt in Kettwig aufs Butterbrot geschmiert: „Werde nie so eine!“ Nein, „so eine“ sei sie auch nie geworden. Im Gegenteil: In Kitas und Schulen hat sie stets das Angebot der „Stadtteilbücherei für jeden“ beworben, Klassen eingeladen, den Sommerleseclub voran gebracht. „Und ich wurde immer mit offenen Armen empfangen.“

Förderkreis unterstützt die Stadtteilbibliothek

Unterstützung kommt dabei vom Förderkreis der Stadtteilbücherei, der Bücher sponsert und sich auch neuen Medien für das junge Publikum nicht verschließt: Längst haben die Tonie-Figuren die Hörspielkassetten der 70er Jahre abgelöst.

Ortsnahe Versorgung mit Lesestoff

25.000 Medien sind in der Stadtteilbibliothek Kettwig, Kringsgat 17, ausleihbar – neben Büchern u.a. Zeitschriften, Zeitungen, CDs, DVDs, Spiele sowie Tonies und Tigercards für Kinder. Die Ausleihen steigerten sich bis zu 114.000 im Jahr 2019. Im vergangenen Jahr sank die Zahl pandemiebedingt auf 82.400. Teilweise fand aus Schutzgründen die Bedienung mit vorbestellten Medien am Fenster statt.Die Öffnungstage wurden von zunächst drei auf vier in der Woche angehoben. 2018 erhöhte sich die Zahl dann auf fünf: Montag und Donnerstag von 14 bis 18.30 Uhr, Dienstag, Mittwoch und Freitag von 10 bis 17 Uhr.

„Unser vom Profi-Sprayer Matthias Scheidig gestalteter Dschungel in der Kinderecke wurde auch vom Förderkreis mitinitiiert“, freut sich Petra Bandura, die schon so manches Kind später weiter als Erwachsenen mit Lesestoff versorgt hat: „Ich bin Überzeugungstäterin, meine Arbeit ist was Tolles!“

Begeisterung für Friedrich Schiller und Oscar Wilde

„Vom Glück zu lesen“ von Martin Latham ist eines ihrer Lieblingsbücher, sie mag aber auch Friedrich Schiller, ganz besonders Oscar Wilde, liebt die „Schachnovelle“ von Stefan Zweig und überhaupt alles Geschichtliche. Auf dem Nachtisch hat sie derzeit die Krimis „Totenland“ von Michael Jensen und „Der Angstmann“ von Frank Goldammer.

An Lesestoff werde es der Überzeugungstäterin nicht mangeln, aber künftig eben nur noch als private Nutzerin, sagt Petra Bandura. Ihre Nachfolgerin kommt am 1. März, „und ich weiß, sie brennt genauso wie ich für diese Aufgabe“.