Essen. Ein 2,5 Millionen Euro teures Forschungsprojekt soll in Essen dabei helfen, Schlaglöcher zu erkennen, bevor sie auftreten. So funktioniert’s.

Die Digitalisierung schreitet unaufhaltsam voran – auch im Straßenverkehr. Dabei sieht der orangefarbene Kleinbus auf den ersten, flüchtigen Blick unverdächtig aus. Wäre da nicht der auffällige Aufbau auf dem Dach. Ein Hinweis darauf, dass der Wagen vollgestopft ist mit künstlicher Intelligenz. Sein Auftrag: Schlaglöcher entdecken, bevor sie entstehen.

Zu diesem Zweck hat das Amt für Geoinformation, Vermessung und Kataster jetzt ein auf drei Jahre angelegtes Forschungsprojekt gestartet. „TWIN4ROAD“ lautet der Titel des ehrgeizigen Vorhabens, das vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur mit 2,5 Millionen Euro gefördert wird.

Ein Messfahrzeug erfasst seit 2017 bereits den Ist-Zustand der Essener Straßen

Der Name verrät es: Das Ziel ist die Erstellung eines digitalen Straßenbildes der Stadt Essen. Ein „Zwilling“ also, mit dessen Hilfe sich das Amt für Straßen und Verkehr einen detaillierten Überblick über den Zustand der Haupt- und Nebenstraßen verschaffen will.

Ein Messfahrzeug ist bereits seit 2017 im Einsatz. Der Kleinbus ist ausgestattet mit Kameras, Laserscannern und Radarantennen. Beim Befahren der Straßen wird die Fahrbahn mit elektromagnetischen Strahlen bis zu einer Tiefe von einem Meter durchleuchtet. Ist der Unterbau fest genug? Gibt es Hohlräume? Fragen wie diese ließen sich mit Hilfe der Technik bereits beantworten.

Haupt- und Nebenstraßen in Essen werden mit Radarwellen durchleuchtet

Der Haken: Erfasst wird nur der Ist-Zustand: „Wir wollen den Schlaglöchern und Straßenschäden nicht mehr hinterherrennen, sondern frühzeitig erkennen, an welchen Stellen es zu einem Schaden kommen könnte. So müssten wir nicht mehr reagieren, sondern könnten bereits vorausgreifend aktiv werden“, sagt Martin Harter, als städtischer Beigeordneter zuständig für Planen und Bauen.

Der Messwagen liefert dafür die notwendigen Daten. Die Schwierigkeit bestehe darin, die Informationen auszuwerten und richtig zu interpretieren, sagt Martin Krückhans vom Amt für Geoinformation. Das sei aufwendig und erfordere die nötige Expertise, vor allem, wenn es in die Tiefe geht. Weil es an Fachpersonal fehlt, beschränkt sich die Stadt bislang auf das Erfassen der Straßenoberflächen.

Künstliche Intelligenz soll die Experten auf Dauer ersetzen. Um diese Technologie nutzen zu können, soll zunächst ein digitaler Zwilling des Essener Straßennetzes erstellt werden. Mit Radarwellen wird hierfür die Asphaltdecke durchleuchtet und durch Messdaten an der Oberfläche zu einem 3D-Abbild der Straßendecke verbunden.

Die Vorhersage von Straßenschäden soll für die Stadt Essen nur ein Anfang sein

Computer-Software soll in einem nächsten Schritt so programmiert werden, dass Schäden frühzeitig erkannt werden. Die Erneuerung der Straßen ließe sich auf diesem Wege besser planen, finanzielle Mittel zielgerichteter einsetzen. „So können wir vermeiden, was am Berliner Flughafen passiert ist“, sagt Martin Krückhans. Und zwar dass die Kosten aus dem Ruder laufen. Das Risiko finanzieller Nachforderungen für Nachbesserungen ließe sich so minimieren.

Die Projektpartner

Der offizielle Startschuss für das Forschungsprojekt ist am Montag, 24. Januar, gefallen. Projektpartner der Stadt Essen sind die Point Cloud Technology GmbH und das Hasso-Plattner-Institut (HPI) aus Potsdam sowie der Landesbetrieb Straßen NRW. Den Messwagen, der seit 2017 im Einsatz ist, hatte die Stadt Essen für 600.000 Euro angeschafft.

Das Abbilden des Essener Straßenbildes sei aufgrund seines Alters aufwendig und weitaus anspruchsvoller als die Zustandserfassung einer asphaltierten Autobahn. Durch ungezählte Baustellen und das Verlegen von Leitungen ist mit der Zeit ein regelrechter Flickenteppich entstanden, den es zu analysieren gilt. Das Forschungsprojekt erlaubt es der Stadt, zwei Mitarbeiter einzustellen, die die notwendige Software entwickeln und deren Anwendung testen.

Die Vorhersage von Straßenschäden soll übrigens nur ein Anfang sein. „In der Idee, die städtische Infrastruktur vollständig digital zu erfassen, steckt weit mehr Potenzial als die Vorhersage von Schlaglöchern“, weiß Silke Katharina Berger, bei der Stadt Essen zuständig für das Projekt „Smart City“. Eine digitale Kopie des Straßenbildes biete die Möglichkeit weitere Informationen zu sammeln wie beispielsweise über die Anzahl oder den Zustand von Verkehrsschildern oder Bäumen.