Essen. Ein Essener Großlabor arbeitet in der Omikron-Welle am Limit. Die Auslastung liegt bei 90 Prozent – deshalb wird der Ruf nach Priorisierung laut.
Die Inzidenzwerte explodieren und die Labore stoßen mit ihren Testkapazitäten an ihre Grenzen. Das trifft auch auf Essen zu, wo die Inzidenz jetzt auf den Rekordwert von 779,0 hochgeschnellt ist. „Bei uns ist es fünf vor zwölf“, sagt Dr. Yuriko Stiegler, Geschäftsführerin des Medizinischen Versorgungszentrums für Labormedizin und Mikrobiologie Ruhr GmbH (mvzlm Ruhr) in Essen-Huttrop. Das Institut könnte an Werktagen maximal 1900 PCR-Tests am Tag bewältigen. „Aktuell liegt unsere Auslastung bei mehr als 90 Prozent, wir haben kaum noch Luft“, fügt sie hinzu.
Auslastung bei PCR-Tests liegt im Essener Labor aktuell bei mehr als 90 Prozent
Weil vorerst mit weiter steigenden Infektionszahlen zu rechnen sei und sich die Testkapazitäten aber nicht beliebig steigern ließen, sieht die Labor-Chefin nur einen Weg: „Sinnvoll ist jetzt eine klare Regelung für die Priorisierung von PCR-Testkapazitäten.“ Ähnlich hat sich bereits der Verband der akkreditierten Labore in der Medizin (ALM) positioniert, dem bundesweit mehr als 190 Labore angehören. Auch die Huttroper gehören dem Dachverband an.
Die Priorisierung der Testkapazitäten, so Stiegler, sei bereits Bestandteil der Nationalen Teststrategie. Das bedeute, dass neben den symptomatischen und erkrankten Personen beispielsweise Kontaktpersonen und Beschäftigte im Gesundheitsbereich, die ständigen Kontakt mit verletzlichen Gruppen (Hochbetagte, Menschen mit schweren Grunderkrankungen oder geschwächtem Immunsystem) haben und coronatypische Symptome aufweisen, ganz oben auf der Prioritätenliste bei PCR-Tests stehen sollten.
Auch bei der so genannten Freitestung sollte dieser Personenkreis Vorrang haben, findet die Fachärztin für Laboratoriumsmedizin. Das heißt: Wer infiziert und isoliert ist bzw. einen Kontakt mit Infizierten hatte und deshalb in Quarantäne ist und zwei Tage symptomfrei war, kann sich am siebten Tag freitesten lassen. Beschäftige im Gesundheitswesen müssen mit PCR-Tests freigetestet werden, während beim Normalbürger der zertifizierte Schnelltest im nächsten Testzentrum ausreicht.
Eine halbe Million PCR-Tests im Laufe von bald zwei Jahren
Und was ist mit denen, bei denen die WarnApp anschlägt und die sich nun von einem PCR-Test bestmögliche Gewissheit erhoffen? Nun, die Essener Labor-Geschäftsführerin hält einen PCR-Test in diesem Fall zwar für sinnvoll, aber angesichts der aktuell sehr knappen Ressourcen nicht unbedingt für zwingend notwendig. Sinnvoller sei es, sich zeitnah selber mit einem Schnelltest zu testen, oder sich im nächsten Testzentrum testen zu lassen. Wenn diese Teste negativ sind und man auch keine Symptome entwickelt, ist man nach Ansicht der Medizinerin damit auf der sicheren Seite und benötigt auch nicht zwangsläufig eine PCR-Testung.
Mehr Klarheit in der Priorisierungsfrage erhofft sich Dr. Yuriko Stiegler von der neuen Verordnung, über die an diesem Wochenende beraten werden soll.
Seit Ausbruch der Pandemie im März 2020 hat das Essener Labor – zuständig für die Krankenhäuser von Contilia, Kliniken Essen-Mitte und Krupp – die Kapazitäten enorm erhöht. „Wir haben zusätzliche Geräte angeschafft und die Zahl der Beschäftigten aufgestockt“, berichtet Yuriko Stiegler. Im Laufe von bald zwei Jahren seien mehr als eine halbe Million PCR-Tests durchgeführt worden.
Waren es anfangs eine Handvoll Medizinisch-Technische Laboratoriums-Assistenten, die auf PCR-Tests spezialisiert waren, bearbeiteten jetzt 20 Beschäftigte dieses hochsensible Feld. Darunter befänden sich auch studentische Aushilfskräfte, die einfache Tätigkeiten beim Testvorgang „drumherum“ solide erledigten. „Der Facharbeiter-Mangel ist groß.“
Geschäftsführerin: „Physische und psychische Belastung für das Team ist groß“
Hochkonzentriertes Arbeiten und dazu die Dauerbelastung im Schichtbetrieb zwischen 6 und 22 Uhr setze den Mitarbeitern enorm zu. „Die physische und psychische Belastung ist groß“, so Stiegler. Stolz sind sie im Essener Groß-Labor, dass zügig abgearbeitet wird. Proben, die bis 17 Uhr im Labor eingingen, würden noch am selben Tag bearbeitet. Selbst nachts bestehe für die Krankenhäuser im Notfall die Möglichkeit, eine PCR zu bekommen.
Um besonders belasteten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern während der Arbeit eine gesunde Auszeit zu gönnen, ist im Labor inzwischen ein Extraraum für Massagen eingerichtet worden. Einmal pro Woche kommt für mehrere Stunden eine Masseurin, um Beschwerden und Verspannungen zu lindern. „Das sind für jeden 20 Minuten zum Durchatmen“, sagt Yuriko Stiegler. Die Ärztin hofft, dass sich die Lage nach Abklingen der Omikron-Welle ab Mitte März endlich wieder normalisiert.