Essen. Die rasante Zuspitzung der Pandemie im Hotspot Essen stellt Medizinlabore für Corona-Tests vor große Herausforderungen. Eine Innenansicht.
Die seit vier Wochen sprunghaft steigenden Neuinfektionen im Corona-Hotspot Essen stellen die medizinischen Labore vor große Herausforderungen. „Wir sind nah an der Kapazitätsgrenze, unsere Mitarbeiter arbeiten bis zum Anschlag“, sagt Dr. Yuriko Stiegler, Geschäftsführerin des Medizinischen Versorgungszentrum für Labormedizin und Mikrobiologie Ruhr GmbH (mvzlm) in Essen-Huttrop. Das Labor ist eine der wichtigsten Adressen der Stadt für Corona-Tests.
Von den erbittert geführten politischen Debatten über Sperrstunden, Maskenpflicht und Beherbergungsverbote ist in dem Labor an diesem Freitagmorgen überhaupt nichts zu spüren. Auf dem langen hellen Flur des neuen Trakts herrscht eine scheinbar unaufgeregte Betriebsamkeit. Die Mitarbeiter in den weißen Kitteln sind konzentriert bei der Sache, und die teuren Hightech-Maschinen arbeiten beinahe lautlos.
Seit Pandemie-Ausbruch in Essen hat das Labor schon 40.000 Corona-Tests durchgeführt
Doch tatsächlich gehen seit dem 1. März, dem Tag, als in Essen der erste Corona-Fall diagnostiziert wurde, die Uhren anders im mvzlm Ruhr. Die Arbeit sei verdichteter geworden, und ständig fielen Überstunden an, heißt es. Mehr als 40.000 Corona-Tests, sogenannte PCR-Tests, hat das Essener Groß-labor seit Ausbruch der Corona-Krise in Essen durchgeführt – für alle Krankenhäuser zwischen Karnap und Kettwig mit Ausnahme der Universitätsklinik. Der PCR-Test, betont die Geschäftsführerin, sei der „Goldstandard“ – zwar aufwendig, dafür aber absolut exakt.
„Um die hohe Nachfrage zu bedienen, haben wir in den letzten Monaten in neue Geräte investiert“, fügt Yuriko Stiegler hinzu. Außerdem seien Mitarbeiter aus anderen Laborbereichen mit in die PCR-Tests eingearbeitet worden.
Drei Gesellschafter, 160 Mitarbeiter, acht Standorte
Das Labor „mvzlm Ruhr“ wird getragen von der Krankenhaus-Gruppe Contilia (65 Prozent), den Kliniken Essen Mitte (30 Prozent) und dem Alfried-Krupp-Krankenhaus (5 Prozent). Seinen historischen Ursprung hat es im Zentrallabor des Elisabeth-Krankenhauses.
In Essen werden 14 Krankenhäuser (ca. 4500 Betten) mit Labor-Diagnostik versorgt. Die Uniklinik verfügt über ein eigenes Labor.
Das Groß-Labor beschäftigt mehr als 160 Mitarbeiter an acht Laborstandorten, davon 75 am Hauptstandort Huttropstraße 58.
AHA-Regel: Das steht für Abstand halten, Hygiene beachten, Alltagsmaske tragen
Nach dem Corona-Schock im März und dem beinahe entspannten Sommer hat sich das Bild in Essen seit Anfang September rasant gewandelt. Die Stadt ist Risikogebiet, und im Land grassiert die Angst vor einem zweiten Lockdown. Die jüngste Allgemeinverfügung der Stadt verlangt jetzt von den Essener Krankenhäusern, dass alle Neuaufnahmen auf Corona getestet werden müssen. Gleiches gilt für Reiserückkehrer aus Risikogebieten und natürlich für das medizinische Personal.
Labor-Chefin betont: „Die anlasslose Testung von Urlaubern unterstützen wir nicht“
Seitdem etliche Bundesländer ein Beherbergungsverbot verhängt haben, benötigen außerdem zahlreiche Reisewillige aus dem Hotspot Essen händeringend Negativ-Tests. Die Landesregierung hat per Erlass dafür gesorgt, dass diese Tests zumindest in der ersten Herbstferienwoche (noch bis 17. Oktober) kostenlos sind. Ein Prozedere, das in dem Essener Labor auf erhebliches Unverständnis stößt. „Die anlasslose Testung von Urlaubern im Zusammenhang mit den Beherbergungsverboten unterstützen wir nicht“, stellt die Geschäftsführerin klar, „vielmehr sollten die verfügbaren Testkapazitäten zunächst zielgerichtet und medizinisch sinnvoll bei den gefährdeten Personengruppen eingesetzt werden“. Darunter versteht die Fachärztin zum Beispiel Ältere, Risikopatienten mit Vorerkrankungen und Heimbewohner.
Mittlerweile bewältigt das mvzlm fast 1000 Corona-PCR-Tests am Tag, damit sei man absolut am Limit. In letzter Zeit häuften sich die Anrufe nervöser und ungeduldiger Urlauber, die bei den ebenfalls stark ausgelasteten Hausärzten nicht auf Anhieb einen Termin bekämen oder nicht lange auf den Befund warten wollten. „Wir machen die Testungen für Urlauber derzeit nur vereinzelt nach vorheriger telefonischer Terminvereinbarung“, sagt die Geschäftsführerin. Der Befund liege nach etwa vier Stunden vor.
Der Appell der Ärztin: „Vorrang hat die strikte Einhaltung der AHA-Regeln“
Das Huttroper Großlabor will sich weiterhin auf die Versorgung ihrer Krankenhaus-Einsender konzentrieren. An die Bevölkerung richtet Dr. Yuriko Stiegler einen Appell, der stereotyp klingt und trotzdem nicht oft genug ausgesprochen werden kann.: „Vorrang hat die strikte Einhaltung der AHA-Regeln, ergänzt durch eine verstärkte Kontaktbeschränkung und wirksame Kontrollen.“