Essen-Altenessen. Farid Schamas ist mit seiner Änderungsschneiderei der älteste Mieter im Altenessener Allee-Center. Warum er auch mit 72 nicht ans Aufhören denkt.

Altenessen ist für Farid Schamas so etwas wie eine dritte Heimat geworden. Seit mehr als 40 Jahren arbeitet der Schneider mittlerweile hier und ist der älteste Mieter im Allee-Center. Auch mit 72 Jahren kommt er nicht auf die Idee, sein Geschäft aufzugeben oder gar zu verlagern. „Ich bin gesund und mache weiter, so lange es geht“, sagt Schamas.

Noch acht Jahre läuft sein aktueller Mietvertrag für den Laden im Obergeschoss des Allee-Centers. In den vergangenen Jahrzehnten hat er hier andere Mieter kommen und gehen gesehen, er selbst habe nie daran gedacht, Altenessen den Rücken zu kehren. Dabei sei es eher einer Kette von Zufällen zu verdanken, dass er überhaupt in Altenessen gelandet sei.

Schneider Farid Schamas fand durch Zufall ins Altenessener Allee-Center

Geboren und aufgewachsen ist Schamas in Syrien. „Mein Vater war auch Schneider und hatte einen eigenen Laden“, sagt er. „Schon als Kinder haben wir in den Ferien ausgeholfen und viel gelernt.“ Später seien er und sein Bruder ebenfalls Schneider geworden. Seine Schwester war es, die als erste nach Deutschland ging und ihren Bruder bei einem Besuch in der Heimat überredete, ihr ins Ruhrgebiet zu folgen. „Seitdem ich in Deutschland bin, wohne ich in Wanne-Eickel“, sagt Schamas.

Er fand eine Anstellung als Schneider in Essen, als er in den 90er-Jahren dann die Möglichkeit hatte, das Geschäft von seinem Chef zu übernehmen, ergriff er sie. Fünf Aushilfen hat Schamas heute, sie unterstützen ihn bei den Aufträgen, passen für die Kundschaft Hemden, Hosen und Kleider an. „Wir machen hier Änderungen aller Art“, sagt Schamas. In den Jahren sei die Stammkundschaft angewachsen. Nicht nur aus Altenessen kommen die Kundinnen und Kunden, sondern auch aus anderen Teilen der Stadt, aus Gelsenkirchen, Oberhausen und Gladbeck.

Im Allee-Center in Altenessen hat Schneider Farid Schamas schon so manch anderen Mieter kommen und gehen sehen.
Im Allee-Center in Altenessen hat Schneider Farid Schamas schon so manch anderen Mieter kommen und gehen sehen. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

„Wir sind einfach günstiger als andere“, sagt Schamas. „Ich habe die Preise seit 20 Jahren nicht erhöht.“ Dabei haben die Lockdowns auch seinem Betrieb zugesetzt. Doch eine Preiserhöhung komme nicht in Frage, sagt der 72-Jährige: „Das kann ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren.“ schließlich wisse er genau, dass viele Menschen in Altenessen nicht viel Geld zur Verfügung hätten. Seine Dienstleistung soll sich möglichst jede und jeder leisten können. Schneider-Ehre sozusagen.

Kundschaft lässt seltener getragene Kleidung ausbessern

In seinem Arbeitsleben hat Schneider Schamas beobachten können, wie sich das Verhältnis der Kundschaft zu Kleidungsstücken verändert hat. Als er Ende der 70er-Jahre in Essen anfing, seien viele lang getragene Kleider unter der Nähmaschine gelandet. „Damals haben die Leute noch viel mehr Kleidungsstücke ausbessern lassen“, sagt er. „Heute ist alles billiger geworden und Kleidung wird schneller weggeworfen.“

Öfter als früher brächten die Kundinnen und Kunden Neuware in die Änderungsschneiderei, um sie noch vor dem ersten Tragen anpassen zu lassen - kürzere Hosenbeine, eine engere Taille, weil die Änderungen günstig seien, würden eben auch Artikel gekauft, die nicht perfekt passen. Zum Glück kann Schamas viel mehr Aufträge entgegennehmen als zu Beginn seines Berufslebens – die Technik macht es möglich. „Wir hatten früher noch ganz altmodische Bügeleisen mit Kohle“, sagt er und lacht. „Da musste man aufpassen, dass nichts anbrennt.“ Heute wird mit Dampfbügeleisen und elektrischen Nähmaschinen gearbeitet. Und die sollen im Obergeschoss des Allee-Centers noch so einige Jahre weiter rattern, wenn es nach Schneider Schamas geht.