Essen. Sieben Monate nach dem Start dümpelt das Bürgerbegehren bei gerade mal 16.000 Unterschriften. Warum die Initiatoren dennoch an den Erfolg glauben.

Ihr Logo leuchtet von allen Wänden: „Versorgung sichern – Krankenhäuser retten“, so haben sie es unter anderem auf den Messe-Eingang, ans Aalto-Theater und den Zollverein-Würfel projiziert. Die nächtens davon gemachten Fotos für die Internetseite sind ein echter Hingucker, doch das täuscht wohl kaum über das Schattendasein des Bürgerbegehrens selbst hinweg: Sieben Monate nach dem Start dümpelt es bei gut 16.000 Unterschriften. Manche dürfte noch durch die Prüfung fallen. Ob das reicht?

„Es muss“, sagt Jutta Markowski, eine der drei Vertretungsberechtigten, die an diesem Donnerstag noch einmal zur Kundgebung vors Stoppenberger St. Vincenz-Krankenhaus geladen haben. Ein Jahr ist das Krankenhaus nun schon dicht, zum Protest-„Trauermarsch“ kamen damals rund 100 Leute, jetzt sind es trotz trockener Witterung gerade mal halb so viele, und nur das zig Meter lange Spruchband bricht manchen Demo-Rekord: „Krankenhaus statt Kufen-Kiosk – keine Mogelpackung Stadtteilklinik“.

Bei einer Stadtteilklinik werde doch nur „alter Wein durch neue Schläuche gejagt“

Damit ist ja alles gesagt, finden Markowski und Co., denn mit den Plänen für eine „Stadtteilklinik“ am Standort St. Vincenz jage die Stadtspitze doch nur „alten Wein durch neue Schläuche“. Ja doch, verschiedene medizinische Angebote in einem Gesundheitszentrum zu bündeln, das sei „sicher ein notwendiger, längst überfälliger Baustein für eine bessere Gesundheitsversorgung im Essener Norden“. Aber eben „kein Ersatz für ein Krankenhaus der wohnortnahen Grund- und Regelversorgung“.

Eine Zahl und der Rat als erste Hürden

Die erste Hürde, die das Klinik-Begehren zu nehmen hat, ist die Zahl der Befürworter: Rund 13.400 bei einer Kommunalwahl wahlberechtigten Essener Bürgerinnen und Bürger müssen das Ansinnen mit ihrer Unterschrift unterstützen.

In einem zweiten Schritt muss der Rat das Bürgerbegehren als rechtskonform einstufen – und kann dann dem Begehren beitreten oder nicht. Erst danach käme es zum Bürgerentscheid.

Mehr Informationen zum Begehren im Internet unter https://krankenhausentscheid-essen.de/

Und wo immer sie ihrem Ärger Luft gemacht und Unterschriften gesammelt haben, stießen sie auf Zuspruch. „Auch im Süden der Stadt“, betont Mit-Initiator Hans Peter Leymann-Kurtz, der die jüngsten Äußerungen des örtlichen AOK-Chefs (Essen ist bei Kliniken „nur gefühlt unterversorgt“) nur noch „zynisch“ findet. Sie hingegen wollen alle Nase lang Beispiele einer „gefährlichen Versorgungslücke“ registriert haben: lange Anfahrten ins Krankenhaus und Engpässe in der Geburtsbegleitung, knappe Betten und überlastetes Krankenhauspersonal, verschobene OPs und lange Wartezeiten in den Notfallambulanzen.

Die Resignation im Norden ist groß, heißt es: „Was können wir schon tun?“

Was die Frage aufwirft: Warum schlägt sich das nicht in Unterschriften nieder? Jutta Markowski mag ihre Enttäuschung darüber gar nicht leugnen: „Wir haben uns mehr versprochen, keine Frage“, auch durch die Multiplikatoren, schließlich weiß man unter anderem die Arbeiterwohlfahrt, die SPD und die Dienstleistungs-Gewerkschaft Verdi an seiner Seite.

Doch Corona habe das klassische Unterschriften-Sammeln zunichte gemacht, „im sozialen Leben liegt viel brach“. Was bleibe, sei mühevolle Handarbeit und Klinkenputzen einiger, die einen langen Atem haben. Erschwerend komme hinzu, dass „viele im Norden resigniert“ hätten. „Die sagen: Was können wir schon tun?“ Markowski spricht von den „Abgehängten“ der Gesellschaft, aber eben auch davon, dass sie an eine Mehrheit glaubt, wenn denn das Begehren nur die formalen Hürden überspringt und es zum Entscheid kommt.

Darum schleppen sie sich mit dem Begehren jetzt auf die Zielgerade, wollen sammeln bis Ende Januar oder Anfang Februar und dann einreichen. Ihr Ziel: ein Entscheid parallel zur Landtagswahl im Mai. Dann kommen die Leute von alleine, sagt Jutta Markowski, „und dann gewinnen wir das auch“.