Essen-Rüttenscheid. 51 Jahre lang bestand Lilo Kalthoffs Laden für Wäsche und Parfüm in Rüttenscheid. Nun gibt sie auf – nicht ganz freiwillig. Das sind die Gründe.

Lilo Kalthoff ist eine Institution in Rüttenscheid. Vielleicht ist sie sogar die Einzelhändlerin, deren Geschäft auf der Rüttenscheider Straße am längsten besteht. Nun jedoch schließt die 78-Jährige ihren Laden für Wäsche und Parfümeriebedarf nach über 50 Jahren. Sie hätte gern noch weitergemacht – wenn die Umstände anders wären. Doch die Folgen der Corona-Pandemie trafen sie hart.

1961 eröffnete Kalthoffs Mann einen Laden auf der Rüttenscheider Straße, damals noch als Drogerie und ein paar Häuser weiter. Sie, ausgebildete Einzelhandelskauffrau, hielt es nicht lange in Elternzeit aus, als das erste Kind da war. „Es hat mich in den Fingern gejuckt“, sagt sie mit einem Lächeln. 1970 übernahm sie deshalb in den Laden und machte eine Zusatzausbildung zur Kosmetikerin. 2002 kam ein Wäschegeschäft dazu, 2008 vereinte die Rüttenscheiderin beide Geschäftszweige unter einem Dach, in der Rüttenscheider Straße 208.

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Rüttenscheider Einzelhändlerin hatte viele Stammkunden

Jetzt aufzuhören, fällt Kalthoff nicht leicht. Während sie von der Geschichte ihres Ladens erzählt, werden ihre Augen ein ums andere Mal feucht. „Wir nennen den Laden liebevoll unser Wohnzimmer“, sagt Kalthoffs Schwester Renate Johannemann, die ihr seit 1984 als Verkäuferin zur Seite steht. Über die Jahre habe man viele treue Stammkunden gewonnen und unzählige persönliche Geschichten gehört. Geburten, Todesfälle, Schicksalsschläge, zuletzt die Sorgen wegen Corona – all das beredete man in Kalthoffs kleinem Umkleidebereich: „Wir waren auch ein Stück weit Kummerkasten.“

Ihr Wäschegeschäft in Essen-Rüttenscheid war für Lilo Kalthoff eine Art zweites Zuhause. Nun schließt sie im Februar 2022.
Ihr Wäschegeschäft in Essen-Rüttenscheid war für Lilo Kalthoff eine Art zweites Zuhause. Nun schließt sie im Februar 2022. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Das Kommen und Gehen auf der Rü beobachtete Kalthoff jahrelang. Während überall die Mieterinnen und Mieter wechselten, blieb sie. Doch das ist nun vorbei. Obwohl sie so an ihrem Laden hängt, muss sie aufgeben. In der Corona-Pandemie habe sie etwa 50 Prozent weniger Umsatz gemacht. „Ich habe sehr viele Ersparnisse in das Geschäft gesteckt. Irgendwann geht es aber einfach nicht mehr“, sagt die 78-Jährige. Die hohe Miete auf der Rüttenscheider Straße könne sie so nicht mehr tragen. Da ihr aktueller Mietvertrag ohnehin im Februar 2022 auslaufe, ziehe sie nun den Schlussstrich.

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Lieferschwierigkeiten machten dem Laden in Essen-Rüttenscheid zu schaffen

Räumungsverkauf startet am 11. Dezember

Der Räumungsverkauf in Lilo Kalthoffs Geschäft für Wäsche und Parfümeriebedarf startet am Samstag, 11. Dezember. Im Februar ist dann endgültig Schluss.

„Da werden noch einige Tränen fließen“, sagt die Inhaberin. Den Ruhestand wolle sie aber dafür nutzen, um zu reisen und möglichst viel von der Welt zu sehen.

Auch Lieferschwierigkeiten im Wäschebereich machten Kalthoff zuletzt zu schaffen. So hätten Kundinnen manchmal wochenlang auf ein bestelltes Teil gewartet – das sie erst nach Abholung bezahlten. Aber auch der Wandel des Stadtteils diente der Einzelhändlerin nicht unbedingt zum Vorteil. „Hier leben mittlerweile sehr viele junge Leute. Die kriege einfach nicht in mein Geschäft“, berichtet Kalthoff. Sie verkaufe viel an ältere Leute, zum Beispiel in den nahe gelegenen Pflegeheimen. Doch das Geschäft sei für alle stationären Einzelhändler schwieriger geworden. Deshalb habe sie auch gar nicht erst nach einem Nachfolger gesucht: „Das macht heutzutage keiner mehr.“