Essen-Haarzopf. Eine Pfarrerin aus Essen-Haarzopf hilft beim Abschiednehmen in schwierigen Lebenslagen. Das gilt selbst beim hochumstrittenen Thema Abtreibung.

Die evangelische Pfarrerin Elisabeth Müller aus Essen-Haarzopf ist jetzt beim Kirchenkreis zuständig für Trauerfeiern in schwierigen Lebenssituationen. Dazu gehören Abschiedsrituale nach einer Fehlgeburt, die Rückgabe von Eheversprechen und andere Situationen, in denen Menschen einen emotionalen Schlussstrich ziehen wollen. Und selbst im Falle von Abtreibung verurteilt Elisabeth Müller nicht, sondern begleitet die Betroffenen.

Dass der Kirchenkreis dieses Angebot jetzt auf eine breitere Basis stellt, freut Elisabeth Müller. Seit 20 Jahren ist sie Pfarrerin in der evangelischen Gemeinde Haarzopf. „Ich komme aus der feministischen Theologie, biete seit langem Begleitung in besonderen Lebenssituationen an, doch das lief bisher eher über Mundpropaganda“, erzählt die 60-Jährige, der Diskretion in solchen Fällen sehr wichtig ist.

Das gilt zum Beispiel bei Frauen, die ein Kind abgetrieben haben. Das Thema ist kirchenrechtlich wie gesellschaftlich sehr sensibel. „Es nicht meine Aufgabe, darüber zu urteilen, wenn eine Frau in ihrer aktuellen Lebenssituation keinen anderen Ausweg sieht, als sich gegen das Kind zu entscheiden“, sagt die Pfarrerin, die selbst vier Kinder hat. „Wenn eine Frau vielleicht Jahre später um ihr ungeborenes Kind trauern und sich mit einem Ritual verabschieden möchte, heißt das auch nicht, dass sie die Entscheidung dann bereut. Es ist einfach eine Form des Loslassens. Es gibt manchmal schwierige Situationen, in denen es keine Lösung gibt, die ethisch zu 100 Prozent richtig ist“, so Müller. „Der Wert von Kirche zeigt sich aber gerade dann, wenn es nicht glatt läuft.“

Kirchenkreis Essen will die Angebote für Abschiedsfeiern bekannter machen

Im Kirchenkreis sieht man offenbar aktuell, dass es Bedarf für solche Angebote gibt und will diese bekannter machen. Zehn Prozent ihrer Stelle macht jetzt die Arbeit im Rahmen des dreijährigen Projekts „Gott ist da“ aus, so Müller. Sie wirbt auch bei den Kolleginnen und Kollegen dafür, Ähnliches anzubieten. Im Gespräch seien auch Coachings für Notfallseelsorgerinnen und -seelsorger, die oft mit dem Tod konfrontiert sind.

Trauerfeiern können in der evangelischen Kirche in Essen-Haarzopf an der Raadter Straße oder auf dem dahinter liegenden Friedhof stattfinden.
Trauerfeiern können in der evangelischen Kirche in Essen-Haarzopf an der Raadter Straße oder auf dem dahinter liegenden Friedhof stattfinden. © FUNKE Foto Services | Tobias Harmeling

„Für viele Menschen ist es wichtig, Frieden mit bestimmten Situationen im Leben zu schließen“, sagt Elisabeth Müller. Das Angebot richtet sich zum Beispiel an Menschen, deren Ehe gescheitert ist. „In der evangelischen Kirche gilt die Ehe als von Menschen geschlossen und ist damit nicht unauflöslich. Man kann quasi das Eheversprechen zurückgeben.“

Kontakt zur evangelischen Gemeinde Haarzopf

Die Angebote der evangelischen Gemeinde Haarzopf finden in der Kirche an der Raadter Straße und im Gemeindezentrum Fulerum an der Humboldtstraße statt. Die Gemeinde macht auf ihrer Homepage auf die „Angebote für besondere Gelegenheiten“ aufmerksam.

Kontakt zu Pfarrerin Elisabeth Müller unter 0201-713877 oder unter

Dabei helfe möglicherweise ein entsprechendes Ritual, zum Beispiel mit Rosen für die guten Zeiten, die es in der Partnerschaft ja meist auch gegeben habe, und Steinen, die stellvertretend für die schlechten Zeiten auf dem Friedhof abgelegt werden. Die Zeremonie kann für Einzelpersonen, aber auch für die Partner gemeinsam, abgehalten werden. „Manchmal sind auch die Kinder dabei, wenn man deutlich machen will: Wir trennen uns als Paar, bleiben aber gemeinsam als Eltern ansprechbar.“

Es geht um Begleitung, nicht um Bewertung

Das Angebot richtet sich auch an Frauen, die eine Fehlgeburt erlitten, ein Kind nach sehr kurzer Lebenszeit verloren oder sich von ihrem Kinderwunsch verabschiedet haben. „Wir müssen den Menschen zeigen, dass der Glaube Werkzeuge anbietet kann, die helfen können“, erklärt die Pfarrerin ihr Verständnis von Kirche. Es gehe um Begleitung, nicht um Bewertung oder gar Verurteilung.

Wann eine solche Abschiedsfeier stattfindet, bestimmt der oder die Betroffene. „Manchmal will man in der Situation das Thema möglichst schnell hinter sich lassen, hat dann aber Jahre oder Jahrzehnte später das Bedürfnis, einen richtigen Schlussstrich zu ziehen“, weiß die Pfarrerin aus Erfahrung.

Kirche ist derzeit oft mit Negativ-Themen wie Kindesmissbrauch verknüpft

Aktuell ist Kirche oft mit Negativem oder gar Verbrechen wie Kindesmissbrauch verknüpft. Elisabeth Müller will zeigen, dass der Glaube nicht nur Problem, sondern manchmal auch Teil der Lösung sein kann. Sie selbst habe der Glaube gerettet, nachdem sie in der ländlichen Gemeinde, in der sie aufwuchs, viel Gewalt erfahren habe. In ihrem Leben ist sie persönlich immer wieder mit dem Tod in Berührung gekommen, durch ein Zugunglück, bei dem Verwandte starben oder dem Unfalltod ihres Bruders vor 25 Jahren.

Auch mit Kontaktabbrüchen in der eigenen Familie hat die Pfarrerin Erfahrung: „Wer keinen Kontakt mehr zu seinen Angehörigen hat, kann oder will oft nicht an Beerdigungen teilnehmen. Wer im Todesfall trotzdem Abschied nehmen möchte, kann das im Rahmen einer eigenen kleinen Trauerzeremonie tun, möglicherweise zeitgleich zu der offiziellen Beerdigung.“