Essen/Mülheim. Elektroschock-Pistolen sollen jedem Beamten im Streifenwagen zur Verfügung stehen. Essener Einsatzkräfte werden besonders häufig angegriffen.
Wenn Elektroschock-Pistolen künftig zur Grundausstattung der Polizei gehören, soll jeder Beamte in einem Essener Streifenwagen einen der sogenannten Taser zur Verfügung haben. „Ich denke, dass 100 Geräte sicherlich erforderlich sind für das Polizeipräsidium“, sagte Heiko Müller, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) für Essen und Mülheim, nachdem Innenminister Herbert Reul verkündet hatte, dass zunächst die Behörden in Dortmund, Düsseldorf, Duisburg, Essen und Köln mit insgesamt 620 Distanzelektroimpulsgeräten (DEIG) ausgestattet werden. Kostenpunkt: rund vier Millionen Euro.
In den fünf Großstädten werden Einsatzkräfte besonders häufig angegriffen, begründete Reul deren bevorzugte Ausstattung, bevor die Taser landesweit für alle Behörden angeschafft werden sollen. Ein weiteres Argument für Essen sei die Bekämpfung der Clan-Kriminalität, bei der es immer wieder zu Widerständen aber auch Angriffen auf Vollzugskräfte kommt, sagte Müller, der „sehr froh“ über die Entscheidung der Landesregierung ist. Damit werde mehr Schutz von Beamten aber auch Bürgern möglich.
56 Gewaltausbrüche gegen Beamte in sechs Monaten
Die Aggressionen gegenüber Ordnungshütern haben weiter zugenommen: Die Behörde an der Büscherstraße zählte allein in den ersten sechs Monaten diesen Jahres 56 Gewaltausbrüche und tätliche Angriffe. Im gleichen Zeitraum 2020 waren es mit 40 immerhin noch 16 weniger. Dazu kommen 121 Widerstände, was einen „leichten Rückgang“ von 30 Fällen bedeutet, in denen Beamte genötigt oder bedroht wurden, ohne dass sie körperlich angegangen oder gar verletzt worden sind.
Vor diesem Hintergrund forderte auch die örtliche GdP seit langem, den Wach- und Wechseldienst für seinen Dienst auf der Straße mit Tasern auszustatten. Sie seien ein geeignetes Mittel zur Abschreckung und bieten so einen besseren vorbeugenden Schutz. Dabei zählte Müller früher eher zu den DEIG-Skeptikern: „Ich habe den Einsatz der Geräte erst sehr kritisch gesehen. Doch Studien haben mich schließlich überzeugt.“ In Pilotprojekten habe sich in der Praxis gezeigt, welch hohe präventive Wirkung allein die Androhung, einen Elektroschocker einzusetzen, entfaltet habe.
Stromimpulse mit einer Spannung von 50.000 Volt
Beamte, die damit in einen Einsatz gehen, setzen ein beabsichtigtes deutliches Signal: Die Elektroschock-Pistolen der Firma Axon sind knallgelb und schon von weitem zu erkennen. Die Polizisten können zunächst einen Lichtbogen auslösen, der die Kraft des Tasers demonstriert. Im Ernstfall feuert das Gerät zwei Elektroden an Drähten auf den Angreifer, der durch Stromimpulse mit einer Spannung von 50.000 Volt außer Gefecht gesetzt wird.
In vielen Fällen könne so auf den Griff zur Dienstwaffe verzichtet werden, ist Müller überzeugt: „Aber ein Taser kann auch lebensrettend sein“ - etwa um Menschen mit Suizidabsichten möglichst schnell von Bahnstrecken zu holen.
Gesundheitliche Folgeschäden sind nie ganz auszuschließen
Wann die Distanzelektroimpulsgeräte in Essen eintreffen und wann sie auf der Straße zum Einsatz kommen, konnte eine Sprecherin des zuständigen Landesamts für Zentrale Polizeiliche Dienste NRW (LZPD) in Duisburg noch nicht sagen. Heiko Müller geht davon, dass es frühestens im Laufe des kommenden Jahres so weit sein dürfte - zumal die Beamtinnen und Beamten zunächst gründlich geschult werden sollen.
Dabei muss es auch darum gehen, Taser nicht leichtfertig und inflationär einzusetzen, nur weil sie eine wirksame Waffe vermeintlich ohne finale Wirkung sind. Denn ohne Risiken ist ihre Handhabung nicht, gesundheitliche Folgeschäden bis hin zu Todesfällen sind nie ganz auszuschließen. Gefährdet sind vor allem Menschen, die unter der Wirkung von Alkohol, Medikamenten oder Drogen besonders aggressiv auftreten - aber ausgerechnet sie werden durch ihr Verhalten zur „Zielgruppe“.
Im Testbetrieb blieb es meistens bei der Androhung eines Tasereinsatzes
Innenminister Reul betont hingegen die deeskalierende Wirkung der Distanzelektroimpulsgeräte. Im Testbetrieb habe es sehr oft gereicht, den Einsatz der Geräte nur anzudrohen, um Aggressoren in Schach zu halten. Konkret blieb es nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa in den Pilotbehörden NRWs bei 140 Einsätzen bis Anfang September, davon 114 Mal bei der Androhung, das Gerät auszulösen. 25 Mal wurde ein DEIG demnach tatsächlich abgefeuert und einmal im „Kontaktmodus“ angewendet - also wie ein normaler Elektroschocker.