Essen. Der TÜV Nord hat für rund 50 Millionen Euro einen neuen Campus in Essen gebaut. Wie er dort zu aktuellen Problemen nach digitalen Lösungen sucht.
- Der TÜV Nord hat seinen neuen Campus an der A40 eröffnet. Rund 50 Millionen Euro sind in den Standort an der A40-Auffahrt in Frillendorf geflossen.
- Mit modernen Prüf- und Testlaboren und einem digital durchgetakteten Standort stellt das Unternehmen die Weichen für die Zukunft.
- TÜV Nord reagierte auf Hilferuf aus den Hochwassergebieten und unterstützt jetzt Erftstadt-Blessem.
Nach rund zweijähriger Bauzeit hat der TÜV Nord seinen neuen Technologie-Campus an der Auffahrt zur A40 in Frillendorf eröffnet. Mit modernen Test- und Prüflaboren, einem digital durchgetakteten Standort und Prüftechniken der neuen Generation stellt das Unternehmen die Weichen für die Zukunft.
TÜV Nord sucht in Essen neue und digitale Lösungen für die Automobilbranche
Wenn der TÜV darauf geachtet hat, dass nach dem Abriss der alten Gebäude rund 80 Prozent von Beton und Mauerwerk recycelt und wiederverwendet wurden, dann will er damit seine Nachhaltigkeit in dem 50 Millionen Euro teuren Großprojekt unter Beweis stellen. Zugleich kommt damit aber auch zum Ausdruck, dass er an Traditionen anknüpft und „sie weiterentwickelt“, wie es der Vorstandsvorsitzende Dirk Stenkamp formulierte. So gehört zum TÜV das Unternehmen DMT, Deutsche Montantechnologie, zwar tief im Bergbau verwurzelt, aber heute vor allem in der Tunneltechnik ein gefragter Partner.
Wie nun in der Welt von morgen digitale Techniken Einzug halten, um Prüfverfahren beispielsweise in der Automobilproduktion effizienter zu gestalten, gehört zu einer der vielen Aufgaben, mit denen sich Spezialisten des Unternehmens befassen. Ob es sich um Bremsen, Räder oder ganze Fahrwerksysteme dreht, die Fachleute suchen nach neuen Lösungen im digitalen Zeitalter.
Dass aber der TÜV sich nicht nur um das kümmert, was Räder hat, zeigt sich daran, dass hier auch Kreditkarten auf den Prüfstand kommen. Techniker dürfen das machen, was eigentlich als verpönt gilt, sie versuchen die Karten zu hacken. „Unser Auftrag besteht darin, mögliche Sicherheitslücken ausfindig zu machen“, erläutert Stenkamp einen umfangreichen Geschäftsbereich.
In der Pandemie rund 1,5 Milliarden Masken getestet
Das Know-how aus Essen war auch gefragt, als zu Beginn der Pandemie das Bundesgesundheitsministerium anfragte, ob der TÜV auch die Masken testen könne. „Rund 1,5 Milliarden waren es“, berichtet der Vorstandsvorsitzende, natürlich habe man nicht alle einzeln prüfen können, sondern Stichproben nach einem vorgegebenen Muster. Inzwischen sei man zwar nicht mehr für das Ministerium tätig, die Masken sind aber ein Geschäftsfeld geblieben dank privater Auftraggeber.
1800 Mitarbeiter am Standort in Frillendorf
In dem neuen Gebäude an der A40 haben rund 450 Beschäftigte Platz. Insgesamt sind auf dem Campus rund 1800 Mitarbeiter tätig.
Weltweit hat der Konzern rund 14000 Mitarbeiter. Der Umsatz betrug im vergangenen Jahr rund 1,27 Milliarden Euro.
Den Standort an der Langenkampstraße gibt der TÜV Nord auf, die Beschäftigten wechseln in das neue Technologieareal.
Dass das Unternehmen es auch immer wieder mit aktuellen Ereignissen zu tun hat, zeigt sich daran, dass es seit dem Hochwasser eingebunden ist, Bewegungsdaten aus der eingebrochenen Kiesgrube in Erftstadt-Blessem zu erheben. Hier bedarf es eines aufwendigen Netzes an Messstationen, die Daten nach Essen übermitteln. Auch in solchen geologischen Fragen sieht das Unternehmen für sich weitere Tätigkeitsfelder.
Künstliche Intelligenz hat in vielen Aufgabenfeldern Einzug gehalten
Künstliche Intelligenz ist im Unternehmen vielerorts schon längst zum Standard geworden und wird auch an neuem Standort weiter ausgebaut. Beispielsweise testen Fachleute derzeit, wie man Fahrzeugschäden zeitsparender und effektiver erfassen kann. Nach einem Unfall soll es beispielsweise ausreichen, dass der Autofahrer mit seinem demolierten Wagen in die Werkstatt kommt und der Gutachter von daheim aus mit Video und digitaler Technik das Malheur in Augenschein nimmt. Was wie ferne Zukunftsmusik klingen mag, könnte nach Einschätzung von Stenkamp schon bald Realität werden. Die Experten arbeiten daran.
Das gilt auch für den Einsatz von Wasserstoff. Hier will der TÜV Nord Vorreiter sein und ihn als Energieträger auch auf dem eigenen Gelände anwenden. Umweltschutz stehe ohnehin hoch im Kurs, so Stenkamp. Klimaschonende Fernwärme für das Heizsystem und 40 Elektro-Ladesäulen zählt er gleich danach auf.
Für Oberbürgermeister Thomas Kufen lobte das Unternehmen, das nun seit vielen Jahrzehnten Essen die Treue halte. Da fand es die Stadt auch passend, dass auf Antrag die Adresse umbenannt werden darf und sie nun Am TÜV 1 lautet.