Essen. Wer Ezgi Güyildar im Rat erlebte, ahnt, dass es die Linke eher auf die große Parlamentsbühne treibt. Serie Essener Kandidaten zur Bundestagswahl.

Das Lob kommt per Videobotschaft und fällt so fabelhaft aus, dass es auch eine eingefleischte Linke noch erröten lässt: „Mutig“ sei Ezgi Güyildar und „absolut couragiert“ im Einsatz für soziale Belange, eine Frau mit Rückgrat – „Eigenschaften, die es in der Politik leider viel zu wenig gibt – ich schätze sie sehr.“

So also spricht Sahra Wagenknecht, und genau das scheint im linken Lager das Problem zu sein, denn wenn die Spitzenkandidatin der NRW-Linken 75 Sekunden persönliche Wahl-Werbung für die Kandidatin im Süden formuliert, empfinden dies nicht wenige in der Essener Partei als Beifall von der falschen Seite. Schuld daran sind „Die Selbstgerechten“, Wagenknechts Abrechnung mit den „Lifestyle-Linken“, die viele als Kritik an der eigenen Truppe verstanden haben, Güyildar aber eher als Kritik an der linken Bewegung insgesamt.

Güyildar teilt die Kritik Wagenknechts an den sogenannten „Lifestyle-Linken“

Sie hat mit den parteiintern heftig umstrittenen Thesen kein Problem, im Gegenteil: „Ich glaube, dass Sahra mit der angestoßenen Diskussion in großen Teilen Recht hat“, meint die 33-Jährige, die einst im türkischen Dersim geboren wurde und 1996 aus ihrer kurdischen Heimat nach Deutschland flüchtete, die hier Abitur machte und Jura studierte, „mit Unterbrechungen“.

Denn ihr Herz gehörte eher der Politik, und das seit dem 14. Lebensjahr, als sie in der Föderation der Demokratischen Arbeitervereine, kurz: DIDF, anheuerte. „Antifaschistisch und antirassistisch“ – diese beiden Begriffe stehen im Mittelpunkt ihrer Arbeit, sagt Güyildar, dabei habe ihre Arbeit „gezeigt, dass es nicht allein darum gehen kann, auf der Straße alten und neuen Nazis Paroli zu bieten, sondern den Kampf um soziale Sicherheit, Frieden und einen sozialen Klimaschutz ins Zentrum zu stellen“.

Die Landtags-Kandidatur ging schief und auch im Bund wird es knapp mit Listenplatz 11

Politische Erfahrung in Essen sammelte Ezgi Güyildar sechs Jahre lang, von 2014 bis 2020, im Rat der Stadt, war dort auch Vize der vierköpfigen Linken-Fraktion, doch ihr Herz, das wurde auch damals schon deutlich, schlägt für die „große“ Politik. Allein, ihre Kandidatur im Essener Osten für ein Landtagsmandat schlug fehl, die Linke scheiterte mit einem Einzug ins Parlament an der Fünf-Prozent-Hürde. Für den Bundestag stehen die Aussichten besser, und ob ihr Listenplatz 11 am Ende womöglich sogar langt, hängt vielleicht mehr denn je von einem einigen linken Lager ab und seiner Begeisterung für Genossin „Sahra“, die Lobende. (woki)