Essen. Just am Wahlsonntag wird in Messehalle 4 die letzte Corona-Impfung verabreicht. Wer dann noch nicht „durch“ ist, findet Hilfe bei 100 Ärzten.

Wenn am Abend der Bundestagswahl, womöglich wirklich erst kurz vor sechs, in Messehalle 4 jemand die letzte Corona-Spritze aufzieht, dann geht nebenan in Halle 6 die Arbeit erst richtig los. Dort werden die Essener Briefwahl-Stimmen ausgezählt, und vielleicht passt das ja auch alles irgendwie bestens zusammen: Die Pandemie und die Politik – und die Frage, wie der Kampf gegen das alles überlagernde Virus eineinhalb Jahre lang geführt worden ist. Das Impfzentrum am Grugapark, immerhin, hat dann seine Schuldigkeit getan: An jenem 26. September ist Feierabend.

Und damit Schluss nach 231 Tagen; seit ein rüstiger 81-jähriger Rentner aus Überruhr eineinhalb Stunden durch den frischen Februar-Schnee stapfte, um sich die allererste Impfung im Essener Impfzentrum abzuholen. Bis zu diesem Mittwoch haben nach ihm 236.293 weitere Patienten den Ärmel für die Erstimpfung an zentraler Stelle hochgekrempelt, 192.883 auch die zweite.

Die vergangene Woche bescherte die bisher schlechtesten Impfzahlen der Kampagne

Das sind große Zahlen, mit denen die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Nordrhein in ihrer Impfstatistik aufwarten kann. Für manch einen größer als gedacht, für andere gleichwohl unter den Erwartungen. Was am anfangs allzu dürftigen Nachschub mit Impfstoff gelegen haben dürfte, aber eben auch am früher als erwartet schwindenden Zuspruch potenzieller Impflinge. Die vergangene Woche war laut KV jedenfalls die schwächste der gesamten Impfkampagne, seit auch die Hausärzte mit einstiegen.

Die haben zwischen Karnap und Kettwig bis dato 161.368 Erst- und 145.142 Zweitimpfungen absolviert. Zusammen mit den Immunisierungen im Impfzentrum schraubt dies die Essener Impfquote auf mittlerweile 68,3 beziehungsweise 58,0 Prozent, was hinterm Komma übrigens auch dem Umstand zu verdanken ist, dass das Land und die Kassenärztliche Vereinigung bis hin zum Robert-Koch-Institut in Berlin mit einer neuen, verringerten Einwohnerzahl der Städte rechnen: Zugrunde gelegt werden jetzt die Daten des Landesbetriebs IT NRW mit Stand 31.12.2020, die für Essen 582.415 Einwohnerinnen und Einwohner ausweisen – 345 weniger als zuvor.

Stadtweit impfen 83 Essener Ärzte auch „praxisfremde“ Patienten gegen Corona

Das Aus fürs Impfzentrum gilt auch als Schritt in Richtung Normalität bei der Gesundheitsversorgung. Das bedeutet allerdings auch etwas mehr Verantwortung für die Bürgerinnen und Bürger. So müssen sich all jene, die erst ab dem 8. September erstgeimpft werden, auf eigene Faust den zweiten Piks organisieren, weil zwischen Erst- und Zweitimpfung mindestens drei Wochen Abstand liegen müssen, das Impfzentrum dann aber schon den Betrieb eingestellt hat.

Nennenswerte Probleme erwartet der Vorstands-Vorsitzende der KV Nordrhein, Frank Bergmann, dennoch nicht: Über 1700 niedergelassene Ärzte stünden bereit, um den Impf-Job zu übernehmen, davon allein 100 in Essen. Eine Online-Suche ist im Internet unter https://coronaimpfung.nrw/impfzentren/impfregister zu finden. Wichtig aber: Nur 83 der 100 dort genannten Ärzte bieten auch praxisfremden Patienten eine Impfung an, ein kleines Häkchen im Internet-Formular wirft hierfür die Treffer aus.

Der KV-Chef würde es begrüßen, wenn das Frei-Testen nicht mehr möglich ist

Dass die Impfquote noch reichlich Luft nach oben hat, je jünger die Patientenschar ist, steht für Bergmann genauso außer Frage wie die Erkenntnis, dass eine Impfung das Risiko, am Ende doch noch mit Corona im Krankenhaus zu landen extrem verringert: ums 29-fache in der Altersgruppe der 18- bis 59-Jährigen.

So wundert es auch nicht, dass der KV-Chef viel Sympathie für den Vorstoß des Essener Oberbürgermeisters hat, „2 G“, also die Bedingung „geimpft oder getestet“, zur Regel für Freizeit-Aktivitäten zu machen und damit das Frei-Testen zu unterbinden: „Ich persönlich würde das begrüßen.“ Wie sehr dies die Impfquote nach oben befördern könnte, diese Antwort aber müsse er schuldig bleiben. Nur so viel: Sich impfen zu lassen, „das fußt auf dem Prinzip der Solidargemeinschaft“. Und an die glaubt man auch weiter. Quote hin, Quote her.