Essen. Per Teigelack, Mediziner am LVR-Klinikum, über den Hungerstreik: Was der Protest der 18-jährigen Essenerin Marlene Barth mit anderen verbindet.

Was sind das für Menschen, die in einen Hungerstreik treten, die bereit sind, gesundheitliche Schäden in Kauf zu nehmen, um ihr Ziel durchzusetzen? Die Redaktion sprach darüber mit Dr. Per Teigelack, leitender Oberarzt der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am LVR-Klinikum in Essen.

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Laut Per Teigelack haben diese Menschen etwas gemeinsam: Sie nutzen den Hungerstreik als Druckmittel, ganz gleich, um welches Ziel es ihnen dabei geht. „Ein Hungerstreik wird eingesetzt, um Schuldgefühle bei seinen Mitmenschen auszulösen“, ergänzt Teigelack. „Und die Schuldgefühle wird man wieder los, wenn man macht, was dieser Mensch will.“

Wer bereit ist, den Hungertod zu sterben, lässt andere in der Regel nicht kalt

Ein Hungerstreik soll außerdem Öffentlichkeit erzeugen. Wenn jemand bereit sei, für seine Ziele den Hungertod zu sterben, lasse das andere in der Regel nicht kalt.

Der Mediziner erinnert an bekannte Persönlichkeiten, die zu diesem Mittel gegriffen haben. Das jüngste Beispiel ist der russische Oppositionelle Alexander Nawalny, der mit einem Hungerstreik gegen seine Haftbedingungen protestiert hat. Mahatma Gandhi wählte den Hungerstreik als politisches Druckmittel.

Menschen, die in den Hungerstreik treten, fühlen sich machtlos

Und noch eine Gemeinsamkeit hat Teigelack ausgemacht: Menschen, die in den Hungerstreik treten, empfinden sich als machtlos und ihre Situation als so ausweglos, dass sie bereit sind, eine existenzielle Bedrohung einzugehen.

„Man kann natürlich darüber streiten, ob die Klimakrise diese existenzielle Bedrohung rechtfertigt oder nicht“, sagt Teigelack in Anspielung auf den Hungerstreik der 18-jährigen Essenerin Marlene Barth. „Aber das muss jeder für sich entscheiden.“

Rückschlüsse auf die Persönlichkeit lassen sich nach Teigelacks Einschätzung durch einen Hungerstreik nicht ziehen. Sowohl Menschen, die emotional gefestigt sind, als auch instabile Menschen würden zu diesem Mittel greifen.