Essen/Berlin. Marlene Barth aus Essen ist mit Gleichgesinnten im Hungerstreik für den Klimaschutz. Ihre Forderung: ein Gespräch mit den Kanzlerkandidaten.

Marlene Barth ist 18 Jahre alt und möchte studieren. In ihrer Freizeit liest sie gerne Bücher und geht in einem Verein Boxen. Eine junge Frau, die ihr ganzes Leben noch vor sich hat. Seit drei Tagen befindet sich Marlene Barth im Hungerstreik.

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Mit Gleichgesinnten hat die Essenerin im Spreebogenpark ein Camp aufgeschlagen. Jeden Tag halten sie vor dem Reichstagsgebäude eine Mahnwache ab. „Hungerstreik der letzten Generation“, lautet das Motto. „Ich mache das, weil es schon viel zu spät ist. Wir befinden uns in einem akuten Notfall“, sagt die 18-Jährige und meint die Klimakrise.

Mediziner und ein Psychologe betreuen die Aktivisten in ihrem Hungerstreik

Für ihre Protestaktion hat sie sich ein Pseudonym zugelegt. Marlene Barth nennt sich Mephisto, nach Goethes Faust. Ein Buch, das sie sehr mag. Die Essenerin ist nicht allein. Sie sind zu siebt, Klimaaktivisten aus ganz Deutschland. Sie haben sich entschieden, keine Nahrung mehr zu sich zu nehmen. Bis auf lebenswichtige Vitamine, damit Herz und Kreislauf nicht versagen. Mediziner schauen regelmäßig nach ihnen und auch ein Psychologe, erzählt Marlene Barth am Telefon.

Und wie geht es ihr? „Ich verspüre sehr starken Hunger und konnte kaum schlafen, weil mein Bauch so weh tat. Und wir alle empfinden sehr starke Stimmungsschwankungen. Ich hoffe, dass es in drei bis vier Tagen besser wird, weil mein Körper sich dann daran gewöhnt. Aber tendenziell wird es schlechter“, sagt sie und klingt dabei unaufgeregt. Wie weit würde sie gehen? „Soweit, bis ich ins Krankenhaus muss.“

Wie verzweifelt muss ein Mensch sein? Oder wie fanatisch?

Eltern und Freunde stehen hinter ihr, sagt Marlene Barth

Seit wann sie sich für den Klimaschutz engagiert, weiß Marlene Barth nicht mehr so genau. Sie hat bei den Schüler-Demos von „Fridays for Future“ mitgemacht und bei „Extinction Rebellion“, die auch zu radikalen Methoden greifen, um auf die Klimakrise aufmerksam zu machen. Marlene Barth nennt es „zivilen Ungehorsam.“

Mit ihrem Hungerstreik wollen die Klima-Aktivisten die Öffentlichkeit wachrütteln, sagt die Essenerin. Damit endlich mehr gegen die Klimakrise getan werde. Dafür setzen sie ihre Gesundheit aufs Spiel. Ihre Freunde stünden hinter ihr. Und auch ihre Eltern. „Sie sind natürlich besorgt und haben Angst um mich. Und sie wünschten sich, dass ich es nicht tun müsste“, berichtet Marlene Barth, die bei ihren Eltern in Holsterhausen wohnt.

Die Streikenden fordern ein Gespräch mit den Kanzlerkandidaten

Aber was konkret will sie mit ihrem Hungerstreik erreichen? „Wir haben zwei Forderungen“, erläutert Marlene Barth: „ein Gespräch mit den Kanzlerkandidaten von CDU, SPD und Grünen und die Einrichtung eines Bürgerrates.“

Gemeint ist ein Gremium aus per Losverfahren zufällig ausgewählten Bürgern, das über Klimafragen mitentscheiden soll und dabei von Experten beraten wird. Losen statt wählen? Aus der Forderung spricht Misstrauen gegenüber dem parlamentarischen System. Aus Sicht der Klimaaktivisten, habe die gewählten Vertreter die Dringlichkeit der Klimakrise immer noch nicht erkannt.

Ob sich Armin Laschet, Olaf Scholz und Annalena Baerbock auf ein Gespräch mit den Streikenden einlassen würden? Wenn ja, ließe sich ein Treffen womöglich relativ schnell organisieren. Ein Bürgerrat dürfte sich hingegen nicht mal so eben bilden lassen. Dafür bräuchte es Zeit. „Uns reicht, dass die Kandidaten es uns versprechen, sollten sie gewählt werden“, sagt Marlene Barth.

Sind die Hungerstreikenden naiv? Sind es Idealisten, die nicht mehr weiter wissen? Heute wollen sie ihr Anliegen der Hauptstadtpresse erläutern. Dass ihnen jemand zuhört, ist für die sieben Klima-Aktivisten ein Erfolg.