Essen. Essen will mehr für den Klimaschutz tun. ÖPNV und Radverkehr sollen ausgebaut werden. Auf was sich hingegen Autofahrer einstellen müssen.

Die Stadt Essen wird ihre Anstrengungen für den Klimaschutz verstärken. Ziel ist das Herabsenken des Ausstoßes an klimaschädlichen Treibhausgasen bis hin zur Klimaneutralität. Dies hat der Stadtrat in seiner Sitzung am Mittwoch beschlossen.

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Der Rat korrigierte damit seinen Beschluss aus dem August 2020, wonach die Stadt Essen die Klimaneutralität bis zum Jahr 2050 anstreben sollte. Wann dieses Ziel nun erreicht werden soll, lässt der neue Beschluss offen. Als „Zielkorridor“ gilt 2030 bis 2040.

Klimaschutz-Aktivisten warnen vor Überschwemmungen und extremer Hitze

Die Initiative „Klimaentscheid Essen“ hatte vergeblich darauf gedrängt, den Treibhausgasausstoß rechnerisch bereits bis 2030 auf null zu reduzieren und die Klimaneutralität zu erreichen. Andernfalls drohten weitere Überflutungen, extremer Hitze und Folgekosten in Milliardenhöhe sei vorzubeugen. Mit Blick auf das Votum des Rates sprachen die Klimaschutzaktivisten von einer Jahrhundertentscheidung.

Die Zeit drängt. Dies betonen auch Vertreter der Ratsmehrheit aus CDU und Grünen. „Die gravierenden Überschwemmungen in Essen und vielen weiteren Städten, katastrophale Dürren, Hitzerekorde und Waldbrände in Europa und der Welt zeigen, dass wir keine Zeit mehr zu verlieren haben“, erklärte dazu klimapolitische Sprecher der Grünen im Rat der Stadt, Sascha Berger. Yannick Lubisch, umweltpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, betonte, es sei wichtig, „dass wir schon jetzt energisch verschiedene Maßnahmen ergreifen, wie wir das Klima schützen können“.

Was kann sich die Stadt Essen nicht mehr leisten, da sie in den Klimaschutz investiert?

Bis zum Jahresende soll die Stadtverwaltung der Politik dazu konkrete Vorschläge unterbreiten. Yannik Lubisch formuliert, was viele Bürger und Bürgerinnen umtreiben dürften: „Was bedeutet Klimaschutz für meinen Alltag? Welche Kosten kommen auf meine Familie und mich zu? Welche Ausgaben kann die Stadt Essen in Zukunft nicht mehr tätigen, da sich wesentliche Positionen des städtischen Haushaltes zu Gunsten des Klimaschutzes verschieben?“

Nach den Worten von Umweltdezernentin Simone Raskob wird sich die Stadt Essen auf die Dinge konzentrieren, die sie selbst beeinflussen kann. Einige Weichen wurden bereits vor dem Ratsbeschluss gestellt. So wird die Stadt, verteilt auf neun Jahre, insgesamt 230 Millionen Euro in den Ausbau des Radverkehrs investieren und damit den „Essener Radentscheid“ umsetzen. Finanzielle Anreize will die Stadt laut Raskob für die Anschaffung eines Lastenrades bieten. Ein Thema, das gerade bundesweit kontrovers diskutiert wird.

Den Anteil des öffentlichen Personen-Nahverkehrs will die Stadt verdoppeln

Den Ausbau des öffentlichen Personen-Nahverkehrs (ÖPNV) will die Stadt beschleunigen. Ziel sei die Verdoppelung des ÖPNV-Anteils bis zum Jahr 2030, so Raskob. Die Dezernentin betont aber, dass dies ohne finanzielle Hilfe des Bundes nicht zu leisten sei. Zusätzliche Fahrtangebote auf einzelnen Bus- und Straßenbahnlinien, die derzeit über das Bundesförderprogramm für saubere Luft, Lead City, finanziert werden, will die Stadt über das Jahresende hinaus „verstetigen“ und aus Haushaltsmitteln finanzieren. Einen entsprechenden Beschlussvorschlag will die Verwaltung der Politik in Kürze vorlegen.

Fahrt aufnehmen dürfte die Diskussion über eine Neuaufteilung des Verkehrsraumes. Die Stadt will die Zahl der Fahrradstraßen erhöhen. Raskob verweist zudem auf die Umweltspur in der Innenstadt, wo Busse und Fahrradfahrer zu Lasten den Autoverkehrs Vorrang genießen. „Die Ruhrbahn ist damit sehr zufrieden“, betont die Dezernentin. Eine statistische Überprüfung steht noch aus. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass es nicht bei einer Umweltspur bleiben könnte.

Maßstab ist das CO2-Budget

Der Fortschritt beim Klimaschutz soll anhand eines rechnerischen CO2-Budgets bemessen werden. Soll die globale Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter nicht um mehr als 1,5 Grad steigen, dürfte Essen noch maximal 26 Millionen Tonnen Kohlendioxid in die Atmosphäre abgeben.Liegt die Grenze bei maximal 1,75 Grad wären es 44 Millionen Tonnen. Für eine Klimaneutralität müsste Essen den Ausstoß an Treibhausgasen um vier Millionen Tonnen im Jahr herabsenken.

Auch über die Zahl der Parkplätze in der Innenstadt werde zu reden sein, so Raskob. Die in Parkhäusern vorhandenen 12.000 Parkplätze seien nicht ausgelastet.

Einen deutlichen Beitrag zum Klimaschutz erwartet die Dezernentin von der energetischen Sanierung der Gebäude. 1200 Immobilien befinden sich im Besitz der Stadt. Gefordert sind vor allem Wohnungsgesellschaften und private Eigentümer. Die Stadt setzt auf Anreize wie die vom Rat beschlossene Förderung von Solar- und Photovoltaikanlagen. 500.000 Euro pro Jahr stehen dafür zur Verfügung.

Die Frage, was die Stadt sich in Zukunft nicht mehr wird leisten können, weil sie in den Klimaschutz investiert, gibt Essens Umweltdezernentin zurück an die Politik: Über den städtischen Haushalt entscheidet der Rat der Stadt.