Essen. Essener Eltern und Ärzte sind verärgert über die vielen Quarantäne-Fälle an Schulen. Vorzeitige Befreiung wäre möglich, ist aber nicht erlaubt.

Essener Eltern sind verärgert über die geltenden Quarantäne-Regeln. In der vergangenen Woche waren 587 Schülerinnen und Schüler in Quarantäne – die meisten von ihnen, weil sie vor, hinter oder direkt neben einem Schulkind sitzen, bei dem eine Corona-Infektion festgestellt wurde. Für das „direkte Sitzumfeld“, so heißt es, wird dann eine 14-tägige Quarantäne angeordnet.

Das städtische Gesundheitsamt hält sich an die Richtlinien des Robert-Koch-Instituts (RKI). Doch auch die Essener Kinder- und Jugendärzte sehen die Handhabung kritisch: „Für viele Kinder war der Schulstart eine Katastrophe“, sagt Obmann Ludwig Kleine-Seuken. „Wir fordern einfache Quarantäneregeln und nicht eine Ausdehnung der Quarantäne durch die Hintertür.“

Für Kinder und Eltern bleiben damit die belastenden Zeiten nach rund anderthalb Jahren regelmäßiger Schulschließungen bestehen. „Meine Tochter ist unter ihren Freundinnen jetzt die einzige, die nicht raus darf“, berichtet die Mutter einer siebenjährigen Grundschülerin. „Das ist für sie sehr frustrierend.“ Das Mädchen hatte in einer Stunde neben einem Kind gesessen, bei dem jetzt eine Corona-Infektion nachgewiesen wurde. „Dass man sein Kind nicht mit einem PCR-Test aus der Quarantäne vorzeitig entlassen kann, verstehe ich nicht“, sagt die Mutter.

Vorzeitige Befreiung aus der Quarantäne nicht möglich

In Grundschulen werden allerdings ganze Klassen heimgeschickt, wenn ein Kind positiv getestet wurde und die Auswertung des Lolli-Tests noch aussteht. „Leider konnte durch nachfolgende Einzeltestungen häufig nicht der Virusträger ermittelt werden“, sagt Kinderarzt-Obmann Kleine-Seuken. Mit der Folge, dass alle Kinder zu Hause bleiben müssen, bis sie einen negativen PCR-Test vorlegen können. „Die in NRW so gelobte Lolli-Testung führt zu zahlreichen positiven Tests und Unruhe in der Klasse“, resümieren die Kinderärzte. Und weiter: „Da die Klassenstrukturen nicht sofort funktionierten, wurden viele Kinder zu Kontaktpersonen erklärt und ebenfalls in eine 14-tägige Quarantäne geschickt.“

Inzidenz- und Infektionszahlen bei Kindern und Jugendlichen

Die aktuellen Infektions- und Inzidenzzahlen bei Kindern und Jugendlichen in Essen: Die 7-Tage-Inzidenz liegt am Montag, 30. August, bei Null- bis Vierjährigen bei 92,7; bei Fünf- bis Neunjährigen bei 416,9; bei Zehn- bis 14-Jährigen bei 436,4 und bei 15- bis 19-Jährigen bei 308,4.

Essens Kinder- und Jugendärzte fordern, dass der Schulpsychologische Dienst aufgestockt wird: Viele Kinder litten unter den Lockdown-Folgen, zeigten etwa in der Schule „massive Verlassensängste“. Schwierig sei die Lage auch für Kita-Kinder, „die je nach Einrichtung und Erziehern bei geringen Infektzeichen nach Hause geschickt werden, keine Freundschaften aufbauen können und zu Hause auf entnervte Eltern treffen“.

Was das bedeutet, erlebt gerade die Mutter eines Grundschülers aus dem Essener Süden, der zu Hause bleiben muss: „Wenn ein Siebenjähriger nicht mehr hinausdarf, verschlechtert sich seine Laune täglich.“ Die Mutter ist – so gut wie alle Eltern – strikt gegen eine neuerliche Schließung der Schulen, fragt sich aber, warum die vielen Vorsichtsmaßnahmen, die vor den Ferien einen Schulbetrieb ermöglichten – zum Beispiel der zeitversetzte Start am Morgen, um Andrang in der Pausenhalle zu vermeiden –, komplett eingestellt wurden. „Da werden die falschen Signale gesendet.“

Kinderärzte: Erst sollen sich die Lehrer impfen lassen

Entzerrte Schulstartzeiten sowie mehr Schulbusse fordern auch die Kinder- und Jugendärzte – und zwar schon seit einem Jahr. Ebenso lange setze man sich für Luftfilter in den Klassenräumen und ein durchdachtes Lüftungskonzept ein. Es sei nicht hinnehmbar, dass solche Maßnahmen – wenn überhaupt – nur schleppend umgesetzt würden, und die Politik nun gleichzeitig Druck auf Teenager ausübe, sich impfen zu lassen.

Von Impfaktionen an Schulen hält Kleine-Seuken wenig: „Die Jugendlichen sollten über Impfangebote informiert werden. Eine Impfung kann aber nur ohne Gruppenzwang in Impfzentren oder Arztpraxen stattfinden.“ Die politisch Verantwortlichen sollten lieber mit mehr Eifer für die Impfung Erwachsener werben: „20 Prozent ungeimpfte Lehrer und Lehrerinnen sind nicht akzeptabel“, sagt Kleine-Seuken mit Bezug auf eine Zahl der Ständigen Impfkommission von Anfang August.

So sind die aktuellen Infektions- und Inzidenzzahlen unter Kindern und Jugendlichen: Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt am Montag, 30. August bei den Null- bis Vierjährigen bei 92,7, bei den Fünf- bis Neunjährigen bei 416,9, bei den Zehn- bis 14-Jährigen bei 436,4 und bei den 15- bis 19-Jährigen bei 308,4.