Essen. Übergewicht und Probleme bei der Motorik: Die Ergebnisse der Schuluntersuchungen in Essen bereiten Fachleuten Sorgen. Das soll jetzt passieren.

Die Einschulung der neuen Erstklässler wird von Zahlen begleitet, die Fachleute beunruhigen: Die Zahl der Kinder mit Übergewicht und motorischen Schwierigkeiten ist gestiegen. Das ergeben die Daten aus den diesjährigen Schuluntersuchungen in Essen. Demnach brauchen 2,7 Prozent der Kinder eine besondere Förderung, bei 5,6 Prozent wurde ein hoher beziehungsweise sonderpädagogischer Förderbedarf festgestellt. Mit ihrer jetzigen Ausstattung könnten die Schulen diese Defizite nicht aufholen, sagt etwa die Leiterin der Bodelschwinghschule, Hannelore Herz-Höhnke: „Wir brauchen Geld und mehr Personal, um die Klassen auch mal teilen zu können.“

Während der sonderpädagogische Förderbedarf im Vergleich zu den Vorjahren in etwa gleich geblieben beziehungsweise sogar leicht gesunken ist, wird die Gruppe der Kinder größer, die zwar nicht therapiebedürftig sind, aber dennoch Auffälligkeiten in der Entwicklung zeigen. Das zeigen die Daten des Essener Gesundheitsamtes. 5753 Kinder sind vor dem Beginn des neuen Schuljahres untersucht worden. Während einige Städte die Untersuchungen in der Pandemie ausgesetzt hatten, entschied sich die Stadt Essen dafür, trotzdem alle Erstklässler zu untersuchen, dafür wurde der Zeitraum der Termine bis zum Ende der Ferien ausgedehnt.

Mehr Essener Kinder sind übergewichtig

Schon bisher sprachen nur rund zwei Drittel der Essener Erstklässler gut bis fehlerfrei Deutsch, im Corona-Jahr ist ihr Anteil weiter gesunken auf 62,5 Prozent. Hier haben sich die Lockdowns mit zeitweiligen Kita-Schließungen offenbar besonders negativ ausgewirkt. Diese Entwicklung trifft vor allem Grundschulen mit einem hohen Anteil an Kindern aus zugewanderten Familien. An der Bodelschwinghschule in Altendorf sind es mehr als 90 Prozent. Leiterin Herz-Höhnke will den Fokus auf die Lesekompetenz und Bewegung lenken, Ausflüge planen. „Unsere Eltern würden sich auch Samstagsunterricht wünschen“, sagt sie. Die Sommerschule habe längst nicht alle Defizite beseitigen können.

Das Schulamt der Stadt plant nach eigenen Angaben Förderangebote im Bereich der Motorik und Bewegungsangebote, Strategien zum Umgang mit psychischen Belastungen bei Kindern, Jugendlichen und Familien sowie besondere Lern- und Deutschförderung, um Bildungsrückstände aufzuholen. Die Ergebnisse der Schuluntersuchungen sollen sich in der Post-Corona-Strategie der Stadt niederschlagen.

Eine deutliche Zunahme von Auffälligkeiten im nicht-therapiebedürftigen Bereich stellten die Ärztinnen und Ärzte in den Bereichen der Auge-Hand-Koordination (von 10,9 Prozent im Vorjahr auf 13,8 Prozent des aktuellen Jahrgangs) und Körperkoordination (von 6,4 auf 8,2 Prozent) fest. Zudem gibt es mehr übergewichtige Kinder: Ungefähr 9,4 Prozent der Lernanfängerinnen und Lernanfänger sind übergewichtig (im Vorjahr 7,2 Prozent) und 6,4 Prozent haben sogar starkes Übergewicht (im Vorjahr 4,6 Prozent).

Forderungen nach Bewegung und sozialen Kontakten

Die Zahlen bestätigen die Sorgen, die viele Kinderärztinnen und Kinderärzte während der Corona-Pandemie geäußert hatten. In einem Brandbrief an Oberbürgermeister Thomas Kufen wiesen schon im Februar fünf Ärztinnen und Ärzte auf die gravierenden Folgen für die geistige und körperliche Gesundheit von Kindern und Heranwachsenden durch den Lockdown hin. Sie berichteten von diffusen psychosomatischen Beschwerden bei den Kindern, von Ängsten, Übergewicht, Störungen der Fein- und Grobmotorik.

Im Frühjahr hatten zudem 21 Schulleiter, Sportlehrer sowie Vereinsvertreter aus dem Essener Norden eine eindringliche Petition verfasst, die vorschlägt, wie Kindern und Jugendlichen sofort zu mehr Bewegung verholfen werden kann. „Viele haben durch Corona ein ganzes Jahr an Entwicklung verloren, was körperliche und geistige Fähigkeiten angeht“, sagte Ulf Gebken, Sportwissenschaftler an der Uni Duisburg-Essen, schon damals. Für mehr Bewegung zu sorgen und Lernrückstände aufzuholen, das werden zentrale Aufgaben im neuen Schuljahr sein.