Essen. Laut Ordnungsdezernent Kromberg hat die Stadt in den Flut-Tagen gut gearbeitet, es fehle aber eine „Grunderfahrung“ - auch bei vielen Bürgern.
Alles verlieren oder wenigstens das Teuerste und Wichtigste retten – bei Hochwasserlagen entscheiden manchmal Minuten über die Höhe des materiellen Verlustes, wenn nicht sogar Leib und Leben von raschen Reaktionen abhängen. Die Frage bewegt deshalb viele: Hat die Stadtverwaltung das Möglichste getan, um die Bürger in den gefährdeten Gebieten im Essener Süden so früh wie möglich über die drohende Gefahr aufzuklären und ihnen so die Chance zu eröffnen, ihren Schaden zu minimieren? Die Antwort von Ordnungsdezernent Christian Kromberg fällt durchaus selbstkritisch aus.
„Unsere Einsatzkräfte haben gut gearbeitet, die Stadt hat vieles richtig gemacht, aber ich gebe zu: Bei der Krisen-Kommunikation gibt es auch bei uns noch Luft nach oben“, sagt Kromberg. Entscheidend sei, so früh an verlässliche Informationen zu kommen, dass man von den Ereignissen nicht überrollt wird. Das aber gelang in Essen – wie auch sonst im Land – tatsächlich nur bedingt, räumt Essens oberster Katastrophenschützer ein.
Nicht jeder habe die Warnungen ernst genommen
Ziel müsse immer sein, „vor die Lage“ zu kommen, um nicht den Ereignissen hinterher zu laufen. Das klingt leicht, gelingt aber nur, wenn es als Grundlage präzise Informationen gibt. In Kupferdreh habe sich die Situation durch das in dieser extremen Form nicht absehbare Anschwellen des Deilbachs am späten Mittwoch Abend jedoch sehr rasch zugespitzt. „Es gibt am Deilbach wie auch an den anderen kleinen Flüssen und Bächen in Essen keinen Pegelstand, der uns warnen könnte.“ Und die Wettervorhersagen seien geografisch so genau eben nicht gewesen, auch wenn im Nachhinein mancher anderes behaupte.
Als das Wasser in den Straßen stand und weiter stieg, habe die Freiwillige Feuerwehr Kupferdreh zwar in den betroffenen Quartieren gewarnt, das Zeitfenster zum Handeln war für die Anwohner dann aber schon sehr klein. „Mancher hat die Warnungen auch nicht ernst genommen“, so Kromberg. Einem Bürger sei beispielsweise dringend geraten worden, sein Fahrzeug aus einer Tiefgarage zu holen, was dieser unterließ. „Das Auto ist dann abgesoffen.“ Er erzähle dies nicht, um die Verantwortung der Stadt zu negieren. „Aber ohne das Gefahrenbewusstsein bei den Bürgern schaffen wir es nicht.“
Manche Bürger auch an der Ruhr sagen, sie hätten keine Behörden-Informationen erhalten
An der Ruhr immerhin gibt es Pegel, von Horst bis Kettwig war also schon am Mittwoch durchaus absehbar, was dann in der Nacht zu Donnerstag passierte, wenn auch die rekordträchtige Höhe des Wasserstand nicht genau zu beziffern gewesen sei. „Die Feuerwehr hat in den betroffenen Stadtteilen am Donnerstag informiert“, so Kromberg. Das sei spät gewesen, aber eher habe die Stadt keine verlässliche Informationen gehabt. Allerdings gibt es Bürger, die sagen, sie hätten selbst diese späte Info nicht erhalten, etwa die Inhaberin des Bauwagen-Hotels in Horst, das zwar auf einem kleinen Hochplateau über der Ruhr liegt, dennoch von der Flut soweit erwischt wurde, dass die Inneneinrichtung der Wagen nun unbenutzbar ist.
„Solche Fälle müssen wir nachbearbeiten“, sagt Kromberg. Das gelte auch für die späte Informierung am Donnerstag, als das Hochwasser etwa in Werden längst da war. Er gibt aber zu bedenken, dass nicht nur den Bürgern, sondern auch der Stadt die „Grunderfahrung“ mit so extremen Hochwasserereignissen bislang fehle. „Beim nächsten Hochwasser würden wir Teile von Kupferdreh vielleicht evakuieren.“ Vergangene Woche sei das kein Thema gewesen. Man hätte sich das aber vermutlich auch nicht getraut, weil die Informationslage es zunächst nicht herzugeben schien und man vielleicht Sorge gehabt hätte vor dem Vorwurf, die Stadt reagiere panisch.
Installieren will die Stadt kurzfristig 19 Sirenen im Essener Süden
Um das Warnsystem auszubauen, plädiert Kromberg für eine Gewässer-Sensorik, die präzisere Vorhersagen gestattet. Das koste allerdings Millionen Euro und sei kurzfristig nicht möglich. Installieren will die Stadt nun aber zunächst 19 Sirenen im Essener Süden, die große Teile des hochwassergefährdeten Gebietes abdeckten. Der Aufbau sei Teil des Programms, das insgesamt 83 Sirenen im Stadtgebiet umfasst, 31 davon sind im Essener Norden bereits in Betrieb. Den Auftrag für die 19 neuen im Süden habe er bereits vor Wochen unterschrieben, betont Kromberg.
Nun nützen Sirenen nur etwas, wenn anschließend die Information ankommt, welche Gefahr denn nun eigentlich genau droht. Den Impuls, sich rasch zu informieren – über Warn-Apps, Internetportale von Medien oder Radio/TV – müsse jeder Bürger selbst aufbringen. Kromberg: „Wir brauchen diese Sensibilität.“