Essen-Haarzopf. Die Haarzopfer Flüchtlingshäuser sollen für Mehrgenerationen-Wohnen weichen. Der Kampf für bezahlbaren Wohnraum hat dort eine lange Geschichte.
Auf mehrheitlich positive Resonanz stößt das Vorhaben der Allbau GmbH, die maroden Flüchtlingshäuser an der Straße Auf’m Bögel in Essen-Haarzopf durch drei Neubauten mit rund 30 Mietwohnungen zu ersetzen. Doch es gibt auch kritische Stimmen.
Jahrelang hatten sich Akteure aus dem Stadtteil für den Abriss der drei heruntergekommenen Häuser, die seit 2017 leer stehen, und den Bau von bezahlbaren Wohnungen eingesetzt. Diverse Bemühungen waren – auch an der Hatzper Straße – gescheitert. Nachdem Christoph Kerscht, Ratsherr der Grünen und Aufsichtsratsvorsitzender der Stadttochter Allbau GmbH, das Wohnungsunternehmen ins Spiel gebracht hatte, konnte dessen Konzept jüngst im Planungsausschuss die Politiker überzeugen.
Bürger setzen sich seit langem für Mehrgenerationen-Wohnen in Essen-Haarzopf ein
Ein Haarzopfer, der sich seit Jahrzehnten für ein Mehrgenerationenprojekt in Haarzopf eingesetzt hat, ist Dietmar Matzke (82). Als 2011/2012 der Schulneubau an der Raadter Straße und das Aus für die alte Hatzper Schule beschlossen waren, hatte er sich mit weiteren Unterstützern für die Realisierung eines solchen Projekts an der Hatzper Straße stark gemacht. Dafür fand sich aber letztendlich kein Investor. Auch ein genossenschaftliches Modell konnte nicht umgesetzt werden.
Die Vermarktung der Wohnungen beginnt wohl erst 2024
Ein Verkaufsbeschluss muss nun nach Konkretisierung und bauordnungsrechtlicher Prüfung des Vorhabens durch den Ausschuss für Stadtentwicklung, -planung und Bauen erfolgen.Als nächstes stehe für die Allbau GmbH die Organisation und Realisierung des Grundstückskaufs und der weiteren Planung an, so Allbau-Sprecher Dieter Remy. Einen Baubeginn könne man noch nicht vorhersagen. Die Vermarktung der Wohnungen werde aber voraussichtlich nicht vor 2024 beginnen.
„Dann kam 2015 die Flüchtlingswelle und die Überlegungen waren sowieso hinfällig, weil die alte Schule an der Hatzper Straße als Unterkunft gebraucht wurde. Später stellte sich die neue Grundschule als zu klein heraus und die erneute Nutzung des Geländes für Schulzwecke wurde beschlossen“, fasst Matzke die Entwicklung zusammen. Er appellierte jedoch weiter an Stadt und Politik, bezahlbaren Wohnraum für ältere Menschen zu schaffen, die in ihrer gewohnten Umgebung bleiben, sich aber kleiner setzen wollen.
In den sozialen Medien gibt es Kritik an der massiven Bauweise
„Nur wenn man Senioren geeigneten Wohnraum anbietet, können sie ihre Häuser oder größere Wohnungen für Familien freimachen“, begrüßt Dietmar Matzke die Allbau-Pläne. Er hatte sich beim Abriss von zwei weiteren Flüchtlingshäusern für die Anlage des Bürgerparks eingesetzt, der mit Hilfe von Stiftungsgeldern realisiert und 2012 eingeweiht wurde. Dietmar Matzke übernimmt seitdem mit weiteren Helfern einen Teil der Parkpflege.
An den Allbau-Plänen gibt es in den sozialen Medien aber auch Kritik. Dort ist unter anderem von „Riesenkästen im beschaulichen Umfeld“ die Rede und von einer zusätzlichen Belastung eines sowieso schon kollabierenden Stadtteils. Auch die Befürchtung, die drei Gebäude seien nur der Anfang und es bestehe die Gefahr, dass später auch der Bürgerpark bebaut werde und das Sommerfest dort nicht mehr stattfinden könne, wird auf Facebook geäußert.
Solchen Befürchtungen widerspricht der örtliche SPD-Ratsherr Philipp Rosenau energisch. „Mit den jetzt vorgelegten Allbau-Plänen soll ja gerade das Gegenteil erreicht werden, nämlich den Park optisch zu erweitern und die neue Häuser dort zu integrieren.“
Politiker halten die Pläne für einen guten Kompromiss
Christoph Kerscht von den Grünen begrüßt das vorlegte Konzept, bei dem es ja noch Mitwirkungsmöglichkeiten gebe. Er freue sich, dass man die Vertreter der anderen Parteien habe mitnehmen können. „Wir hatten uns gewünscht, dass das Grundstück am Bürgerpark unter städtischem Einfluss bleibt, was durch den Verkauf an die Allbau GmbH ja der Fall ist. Ich finde das Ganze baulich durchaus ansprechend, aber natürlich kann es nicht allen recht machen.“ Kerscht und Rosenau stimmen überein, dass das Konzept ein guter Kompromiss sei. „Wenn man Wohnraum schaffen und keine Freiflächen dafür vernichten will, muss man auf solchen bereits versiegelten Bereichen eben größer bauen“, so Rosenau.
Auch CDU-Ratsherr Sven-Martin Köhler, Mitglied des Planungsausschusses begrüßt es, dass die aufgegebenen Flüchtlingsunterkünfte „durch eine neue, nützliche und attraktiven Bebauung ersetzt werden“. Wichtig sei, dass die Vorstellungen der Bürger in die Planungen aufgenommen würden, für die der Bürgerpark im Zentrum der Überlegungen stehen solle. „Letztendlich geht es um eine verbesserte Lebens- und Aufenthaltsqualität vor Ort.“
Verein könnte das geplante Café am Bürgerpark betreiben
Philipp Rosenau hält soziale Angebote wie Gemeinschaftsräume oder ein kleines Café für wichtig. Da ein gewerblich betriebenes Café wohl in einem reinen Wohngebiet nicht möglich sei, müsse man sich Gedanken über Alternativen machen. „Vielleicht kann man einen sozialen Träger wie Diakonie oder Arbeiterwohlfahrt mit ins Boot nehmen. Oder die Bürger gründen einen Verein und betreiben das Café auf ehrenamtlicher Basis.“
Positiv sei, dass statt der vielerorts in Haarzopf entstehenden hochpreisigen Eigentumswohnungen dort bezahlbare Mietwohnungen gebaut werden sollen. Die Mischung aus frei und öffentlich finanzierten Wohnungen sei wünschenswert, sagt Rosenau. „Ich kann mir durchaus vorstellen, dass mehr als die angedachten 30 Prozent der Wohnungen öffentlich gefördert werden. 100 Prozent würde hier aber auch keinen Sinn ergeben, denn die Haarzopfer, die vielleicht ihr Haus verkaufen und hierher ziehen wollen, haben ja keinen Wohnberechtigungsschein.“
Er sei froh, dass Auf’m Bögel 38 bis 42 verschiedene Generationen einziehen sollten. Mit der altersgemischten Struktur vermeide man möglicherweise soziale Konflikte mit den oft jüngeren Bürgerparknutzern. „Die Entscheidung für die Allbau GmbH zeigt jedenfalls, dass der Politik klar geworden ist, dass ein gutes Konzept für ein solches Projekt wichtiger ist als der Preis, den man erzielen kann.“