Essen-Nordviertel. Drogenabhängige auf der Suche nach Stoff und verunsicherte Anwohner: So wird beiden Gruppen jetzt im Essener Nordviertel geholfen.

Einmal in der Woche gehen die cse-Quartierhausmeister und eine Streetworkerin der „Suchthilfe direkt“ gemeinsam durch das Nordviertel und die nördliche Innenstadt. Direkt vor Ort können sich Bürger bei ihnen informieren über die Themen Drogen, Sucht und Müll, Fragen stellen, ihre Sorgen schildern und Unterstützung erhalten.

Steigender Drogenverkauf und Drogenkonsum beobachtet

Lotta Jakobs von der Caritas-SkF-Essen erklärt die im Frühjahr begonnene Zusammenarbeit: „Bei unseren digitalen Bürgersprechstunden haben Bewohner des Viertels von steigendem Drogenverkauf und -konsum berichtet. Da haben wir die Rundgänge gestartet. Es ist auch direkt besser geworden.“

Die Quartierhausmeister kennen ihre Stadtteile und sind vor Ort vernetzt. Die 36-jährige Sabrina Schrang ist seit 2015 dabei: „Ich komme vom Dorf und bin vor acht Jahren hierhin gezogen. Weil das hier so ein Saustall war, habe ich mir Greifzange und Eimer geschnappt und Müll eingesammelt. Jeden Tag. Ehrenamtlich. Einfach so. Irgendwann haben sich Leute beteiligt an meinen Säuberungsaktionen. Später bin ich angesprochen worden, ob ich nicht Quartierhausmeisterin werden möchte.“ Genau ihr Ding.

Müll der Drogenabhängigen sieht man nicht sofort

Das gilt auch für Ralf Weißke, der 2017 dazu stieß: „Ich war vorher ehrenamtlich unterwegs, bei der Flüchtlingshilfe an Altenbergshof und Tiegelschule. Beim Treffpunkt City Nord haben wir niederschwellige Beratung gemacht.“ Der 59-Jährige findet, dass es mit dem Müll schlimmer geworden ist: „Da türmen sich die leeren Amazon-Pakete. Den Müll, den die Drogenabhängigen erzeugen, sieht man nicht sofort. Aber wir wissen genau, in welchen Ecken die Spritzen liegen.“ Ralf Weißke blickt ernst: „Man muss den Konsumenten helfen. Es sind so viele, die durchs Raster gefallen sind.“ Gescheiterte Lebensläufe.

Streetworkerin Martina Richter und Quartiershausmeisterin Sabrina Schrang sind regelmäßig im Essener Nordviertel unterwegs.
Streetworkerin Martina Richter und Quartiershausmeisterin Sabrina Schrang sind regelmäßig im Essener Nordviertel unterwegs. © FUNKE Foto Services | hristof Köpsel

Streetworkerin Martina Richter von der „Suchthilfe direkt“ ist zuständig für die aufsuchende Arbeit mit Konsumenten illegaler Drogen: „Ich verteile als kleine Basisversorgung Getränke, zurzeit auch Schutzmasken.“ Die 38-Jährige ist zierlich gebaut. Kein Problem: „Viele unterschätzen mich, weil ich so klein bin. Aber nicht für lange.“ Auch helfe seit kurzem eine uniforme Berufskleidung: „So bin ich besser auszumachen als Ansprechpartnerin.“ Eine Ansprechpartnerin, die mit Wertschätzung und auf Augenhöhe mit den Drogenkonsumenten spricht. Denn wenn sie ihre Klientel aufsuche, betrete sie deren „Wohnzimmer“ - die Straße.

Drogenkonsumraum an der Hoffnungsstraße

Martina Richter ist Streetworkerin bei der Suchthilfe direkt. Das Projekt Move(e)’In läuft seit Juli 2020 und ist ein gemeinsames von Suchthilfe direkt Essen gGmbH und Diakoniewerk Essen, gemeinnützige Gefährdetenhilfe GmbH. Es ist Bestandteil der Landesinitiative gegen Wohnungslosigkeit „Endlich ein Zuhause!“.

Die Quartierhausmeister der Caritas-SkF-Essen sind im Stadtteil unterwegs. Als Ansprechpartner zu Sauberkeit, Ordnung und Sicherheit leisten sie Aufklärungsarbeit. Die Suchthilfe direkt Essen bietet an der Hoffnungsstraße 24 das Krisencafé, Übernachtungsstelle und einen Drogenkonsumraum. Info unter www.cse.ruhr und www.suchthilfe-direkt.de

„Ich spreche die Leute an, überreiche einen Gutschein für ein Mittagsessen bei uns im Krisencafé und meine Visitenkarte. Die Schwellenängste sind enorm. Diese gestrandeten Menschen trauen sich nicht, nach Hilfe zu fragen.“ Erste Erfolge bestätigen Martina Richter in ihrem Tun: „Es ist uns gelungen, schon 18 Menschen eine Wohnung zu vermitteln.“ Frank Langer von der Suchthilfe stellt klar: „Man bekommt das Problem nicht aus der Welt. Wir bieten auch einen Drogenkonsumraum an.“ Dort können Süchtige ihre gebrauchten Spritzen gegen neues Material eintauschen, ansonsten wird eine Gebühr fällig. Nicht auszudenken, wenn diese für die Öffentlichkeit unsichtbaren Angebote wegfielen: „Dann würde alles auf die Straße schwappen.“

So sollten sich Nachbarn verhalten, die sich bedrängt fühlen

Wie sollten sich Nachbarn verhalten, die sich von Drogenkonsumenten und deren Hinterlassenschaften bedrängt fühlen? Frank Langer wägt seine Worte: „Auf keinen Fall anfassen, etwas Abstand halten. Ganz ruhig ansprechen.“ Martina Richter rät: „Wenn die Konsumenten sediert sind, sind sie geschmeidig. Aber nicht von oben herab mit ihnen reden, sondern auf Augenhöhe.“

Lotta Jakobs betont, dass die Rundgänge fortgesetzt werden, Sabrina Schrang und Ralf Weißke nicken: „Wir möchten die Bevölkerung aufklären und den Suchtkranken helfen.“