Essen. Der Marktführer unter den Krankenkassen startet ab Juli mit 170 neuen Kollegen und neuer Beratungsstruktur. Selbst der Chef muss sich umgewöhnen.

Ein Vierteljahrhundert hatte er ein großes Einzelbüro, wie das so üblich ist für Chefs, aber davon muss Oliver Hartmann sich jetzt verabschieden: Der Regionaldirektor der Essener AOK will schließlich mit gutem Beispiel vorangehen, wenn die Krankenkasse zum 1. Juli einen Neustart hinlegt: mit veränderter Struktur und moderneren Beratungsangeboten.

Was das genau ist, eine „moderne“ Betreuung der Kunden, daran haben sie beim Marktführer der Krankenkassen lange getüftelt. Herausgekommen ist der Plan, den Kunden künftig dadurch eher gerecht zu werden, dass man die Beratungs-Atmosphäre individuell aufs jeweilige Anliegen abstimmt. Wo sich Kleinigkeiten schon am Stehtisch erledigen lassen, damit man für aufwendigere bis heikle Gespräche – von der Zuzahlungs-Befreiung bis zum Schwangerschaftsabbruch – mehr Zeit freischaufeln und geeignete Räume als Rückzugsorte aufsuchen kann, „wo dann auch schon mal die Tränen fließen“, sagt Hartmann.

Größte Regionaldirektion der AOK

Mit rund 390.000 Versicherten ist die Regionaldirektion Ruhrgebiet die größte im Bereich der AOK Rheinland-Hamburg.

Allein in Essen zählt man etwa 153.700 Kunden, die in der Zentrale an der Friedrich-Ebert-Straße 49 seit acht Jahren eine moderne Anlaufstelle haben.

Hier zählte die AOK „vor Corona“ bis zu 500 Kundenkontakte täglich. Erst seit wenigen Tagen ist das Kundencenter wieder geöffnet, seither steigen die Zahlen, zuletzt auf 160 am vergangenen Montag.

Als würde man den Laden einmal kräftig durchschütteln und neu zusammenpuzzeln

Für die Mitarbeiter in der Beratung bedeutet dies, dass sie sich vom Sachbearbeitungs-08/15 lösen können und im Haus mehr denn je in Bewegung sind, ja, sein müssen: Man teilt sich den Schreibtisch mit Kollegen, und was es zu klären gibt, wird über Laptops abgefragt.

Einher geht all dies mit einer neuen Struktur und einem neuen Gebietszuschnitt: Als neue AOK-Direktion Ruhrgebiet nimmt man im Juli die Arbeit auf, hat dort neben Essen und Mülheim jetzt auch Oberhausen und Duisburg unter den Fittichen. Vielerorts werden Abläufe neu sortiert, es gibt zahlreiche Umzüge der Belegschaft von und nach Essen, wobei für den Standort in der Grünen Mitte im Schatten der Uni künftig rund 670 Mitarbeiter tätig sind – unterm Strich also etwa 170 mehr als bisher. An diesem Wochenende ist der Umzug geplant. Es ist, als würde man den Laden einmal kräftig durchschütteln und dann neu zusammenpuzzeln.

„Wir haben uns bewusst dafür entschieden, auch künftig vor Ort Gesicht zu zeigen“

Dass der erst 2013 bezogene Bau am Nordrand der Essener Innenstadt dennoch nicht um ein, zwei Etagen aufgestockt werden muss, liegt an dem Umstand, dass die AOK mehr denn je auch auf das Homeoffice setzt: Maximal zwei Tage können die Beschäftigten von daheim arbeiten, denn abseits der bis zu 500 Kundenkontakte, die man in der Zentrale zu Vor-Corona-Zweiten täglich zählte, wird für die künftig 390.000 Versicherten der neuen AOK Ruhrgebiet nach wie vor vieles hinter den Kulissen im Backoffice erledigt.

Und doch soll es eine strenge Zentralisierung nicht geben: „Wir haben uns bewusst dafür entschieden, auch künftig vor Ort Gesicht zu zeigen“, sagt Regionaldirektor Hartmann: in den AOK-Häusern von Duisburg, Essen, Mülheim und Oberhausen, den zusätzlichen Geschäftsstellen in Essen-Altenessen, Oberhausen-Sterkrade und Duisburg-Hamborn und in den eigens für Studenten vorgehaltenen Anlaufstellen.

80 Prozent der Anfragen können weiter telefonisch abgewickelt werden

Dabei können nach Hartmanns Worten rund 80 Prozent der Anfragen telefonisch abgewickelt werden, weil sie eher unkomplizierte Sachverhalte betreffen. Wenn’s schwierig wird, schwören alle Beteiligten dagegen auf das Gespräch vor Ort. Wenn’s sein muss, im „Cube“, im „Kreativraum“ oder im Eltern-Kind-Zimmer mit Wickeltisch und Spielteppich.

Soll wohl heißen: Wir sind auf alle(s) vorbereitet.