Essen-Altenessen. Ziel der Essener Junior-Uni ist, viele Schüler zu erreichen, Talente zu fördern. Was wird geboten, wie kann man dabei sein? Wir klären Details.
Idee, Planung und Umsetzung im Schnelldurchlauf: Um junge Talente zu entdecken, bestmöglich zu fördern und ihnen mehr Bildungschancen zu ermöglichen, soll Essen eine Junior-Uni bekommen. Die Absichtserklärung dafür unterzeichnete Oberbürgermeister Thomas Kufen im Januar, die ersten Kurse sollen Mitte September beginnen.
Was genau ist eine Junior-Uni?
Die Junior-Uni ist ein zusätzliches Bildungsnetzwerk und zielt darauf ab, unabhängig von der Bildungsherkunft, die Talententwicklung von Sechs- bis 14-Jährigen zu fördern. Es soll eine Ergänzung und Verzahnung der bereits bestehenden Angebote in Essen sein. Dabei sollen Kindern und Jugendlichen – unabhängig von ihrem Bildungshintergrund – ganzjährig Kurse zum Experimentieren und Forschen angeboten werden. „Spaß und Freude statt Bildung um jeden Preis, ist das Motto“, erklärt Bodo Kalveram, von der Essener Wirtschaftsförderungsgesellschaft.
Was wird angeboten?
In der Startphase sollen inhaltliche Schwerpunkte auf Mathematik und Informatik, Technik- und Naturwissenschaften, Geistes- und Sozialwissenschaften sowie Geschichte und Kultur gelegt werden. Es gibt verschiedene Projekte mit Fragestellungen wie: Was hat CO2 mit einem Feuerlöscher zu tun? Wie funktioniert eine Solarzelle und warum hat Wasser eine so starke Kraft? Es geht dabei ums Lernen durch Ausprobieren. So wird beispielsweise ein Solarauto selbst gebaut.
Wo finden die Kurse statt?
In der Zeche Carl stehen zunächst drei Seminarräume zur Verfügung, das Gelände soll in den kommenden Jahren aber weiterentwickelt werden. In der direkten Nachbarschaft sind 14 Schulen angesiedelt, die Zielgruppe also in nächster Nähe. Bis weitere Räume in der Zeche Carl geschaffen sind, finden Kurse auch im Unperfekthaus, im Zentrum für Inklusion und Kooperation und eventuell auch in der Stadtteilbibliothek statt.
Wie kann man mitmachen und was kostet die Teilnahme?
In den kommenden Tagen soll die Internetseite der Junior-Uni an den Start gehen, über die sich Kinder und Jugendliche aus ganz Essen für einzelne Kurse anmelden können. Laut Bevölkerungsstatistik leben in Essen rund 97.000 unter 18-Jährige. „Wenn wir nur die Hälfte erreichen wollen, müssen wir ganz schnell anbauen“, so Kalveram, der einen sanften Start plant und dafür bereits mit Schulen Kontakt aufgenommen hat. Die benachbarte Karlschule wird die Angebote der Junior-Uni in ihren Offenen Ganztag einpflegen. „Dort werden Themen behandelt, die wir gar nicht anbieten können“, erklärt Maike Wiedenbrück, Klassenlehrerin der Karlschule. Die Schüler könnten von der Schule zur Zeche Carl laufen, das sei fantastisch. Wiedenbrück: „Nicht alle werden zu Hause gefördert, über die Junior-Uni können wir ihnen interessante Angebote machen.“
Die Kurse haben meistens mehrere Termine. Ein Kurs soll zwischen 5 und 10 Euro kosten, die Teilnahme jedoch für alle möglich sein - unter Umständen mithilfe eines Fördervereins, der eingerichtet wird.
Wuppertal als Vorbild
Zu den Unterstützern des Projekts gehören neben Bildungsträgern wie der Universität Duisburg-Essen und dem Verein zur Förderung der Zusammenarbeit von Schulen und Wissenschaft e.V. (SWE) auch die Essener Wirtschaftsförderungsgesellschaft mbH, die Regionalagentur MEO, der Haus der Technik e.V. sowie die Westenergie AG.
Als Vorbild dient die Junior-Uni in Wuppertal, die als erste Einrichtung ihrer Art 2008 an den Start gegangen ist. Seither hat die privat finanzierte und gemeinnützige Einrichtung schon 75.000 Kursplätze an vier- bis 20-jährige Studenten vergeben. In Physik, Maschinenbau und Informatik, aber auch in Wikinger-Geschichte und Lego-Pneumatik. Mittlerweile sorgen rund 150 Honorardozenten für ein breitgefächertes Bildungsangebot. Dabei gibt es weder Noten noch einen Aufnahmetest.
Welche Planungen stehen noch an?
Der nächste wichtige Termin vor der eigentlichen Eröffnung ist die Ratssitzung Ende Juni. Dort sollen die Politiker ihre Zustimmung für die Einrichtung geben. Aus der dezentralen Lösung mit mehreren Standorten soll auf die Dauer mit der Zeche Carl ein fester Anlaufpunkt entstehen.
Der Wunsch der Verantwortlichen und auch anderer Akteure im Stadtteil ist es außerdem, die Stadtteilbibliothek in das Zeche-Carl-Ensemble zu integrieren. Eine eigene Bibliothek wird die Junior-Uni nämlich nicht haben. Die Stadtteilbibliothek könnte passende Medien zu den Seminar-Angeboten anschaffen und eine niederschwellige Aufenthaltsqualität bieten. „Eine Bücherei ist wie ein öffentliches Wohnzimmer“, erklärt Anja Flicker, Leiterin der Stadtbibliothek. Sie sei ohne Zugangsvoraussetzung für alle da und biete einen gut ausgestatteten Lernort, an dem die Kinder in Ruhe und fokussiert lernen könnten. Das sei in manchen Sozialstrukturen zu Hause nicht immer möglich. Doch Flicker weiß: „Noch ist nichts entschieden, es wird noch ergebnisoffen über einen möglichen Umzug der Stadtteilbibliothek diskutiert.“
Was bedeutet die Junior-Uni für Essen und für den Stadtteil?
In der Absichtserklärung, die Thomas Kufen unterschrieben hat heißt es: „Essen ist der führende Wirtschaftsstandort im Ruhrgebiet mit zahlreichen Konzernen, einem leistungsfähigen und international ausgerichteten Mittelstand, internationalen Leitmessen, starken High-Tech-Branchen und einer funktionalen Infrastruktur. Diverse Talente bilden auch in Zukunft die Basis für den Erfolg einer Stadt.“ Essen habe das Potenzial, hierfür die besten Startbedingungen zu bieten.
Auch Stadtteilpolitiker Karl-Heinz Kirchner (SPD) betont: „Dort können Talente entdeckt werden, das ist genau der richtige Weg.“ Stefanie Kölking, Bezirksvertreterin der CDU erklärt: „Das ist genau das richtige für unseren Bezirk.“ Altenessen verbuche schließlich oft genug negative Schlagzeilen, etwa mit Klinik-Schließungen und der Debatte um Aufenthaltsqualität und Sicherheit. Für den Zeche Carl-Geschäftsführer Marcus Kalbitzer ist die Junior-Uni ein wichtiges Zukunftsprojekt, um den Essener Norden „nach vorne zu bringen“. Er hatte bereits im Januar betont, dass die Einrichtung, die Zeche Carl „als Herz des Stadtteils“ wieder neu zum Pochen bringen könnte.