Essen. Markus Schaaf berät Essener Einzelhändler zum Thema Digitalisierung. Über Chancen und Gefahren und welche Rolle die Corona-Pandemie dabei spielt.
Markus Schaaf ist seit 2019 Digitalcoach in Nordrhein-Westfalen. Der 26-Jährige berät als einer von insgesamt vier Experten kostenlos Einzelhändlerinnen und Einzelhändler rund um das Thema Digitalisierung. Initiiert wurde das Pilotprojekt vom Handelsverband und dem Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie.
Wie sind Essens Einzelhändler digital aufgestellt?
Es gibt noch viel zu tun. Aber die Händler in Essen sind sehr rege und motiviert, etwas zu verändern. An die 50 von ihnen habe ich schon beraten.
Wie genau sieht diese Beratung aus?
Es gibt kein Schema F. Man guckt erstmal, wie die Substanz ist: Was wird aktuell schon online umgesetzt? Wo ist Verbesserungsbedarf? Wir unterstützen die Händler zum Beispiel auch dann, wenn sie schon ein bestimmtes Projekt geplant haben, aber nicht wissen, welche Finanzierungsmöglichkeiten es gibt.
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Ist der Beratungsbedarf durch die Corona-Pandemie gestiegen?
Ja. Die ersten Monate der Pandemie waren von großer Verunsicherung geprägt. Es gab so eine Art Schockstarre. Das hat sich aber schnell geändert. Viele Händler haben versucht, sich digital neu aufzustellen. Diesen Wandel, den sie jetzt durchlaufen haben, hätten viele normalerweise in zehn Jahren nicht geschafft. Corona war ein Brandbeschleuniger, eine Chance für die Digitalisierung.
Ist Digitalisierung denn immer etwas Gutes?
Sagen wir es so: Ich glaube nicht, dass ein Geschäft in Zukunft ohne Online-Strategie überleben kann. Händler sollten das Internet auf keinen Fall als Feindbild sehen.
Wie kann das gelingen?
Die Pandemie hat gezeigt, wie kreativ Händler sein können und dass interessante neue Ideen entstehen können, virtuelle Verkostungen oder Modenschauen zum Beispiel. Immer etwas Neues lernen zu wollen und kreativ zu werden, das ist die Mentalität, mit der Händler aus dieser Krise gehen sollten.
Welche Rolle spielen soziale Medien?
Soziale Medien bieten eine schnelle und einfache Möglichkeit, um mit den Kunden in Kontakt zu kommen und sie an sich zu binden. Deshalb sind sie sehr wichtig.
Und wie sieht es mit Online-Shops aus?
Grundsätzlich muss man sagen, dass ein Online-Shop allein nicht die Lösung ist. Ein Online-Shop ist wie eine zweite Filiale. Er ist sehr komplex und geht mit vielen Herausforderungen einher, wie: Wie organisiere ich den Versand? Wie gehe ich mit Retouren um? Wie pflege ich die Daten? Das ist nicht mal eben gemacht.
Kann sich ein kleiner Essener Händler überhaupt gegen Amazon & Co. durchsetzen?
Amazon als Maßstab zu nehmen ist der falsche Ansatz. Man muss erkennen, dass man ein stationärer Einzelhändler ist und nicht den Anspruch erhebt, der nächste Versandhändler zu werden. Der kleine stationäre Handel kann nicht die jahrelange Erfahrung aufholen, die Amazon hat. Online ist der Preiskampf außerdem sehr aggressiv. Der Händler muss einen gesunden Mix für sich finden.
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Wie wird sich der stationäre Handel langfristig verändern?
Meine These ist, dass es immer spezieller und beratungsintensiver wird. Es wird für die Händler darauf ankommen, einen Mehrwert zu schaffen und die Beratung in den Vordergrund zu stellen, um sich so vom Online-Handel zu unterscheiden. Wenn zum Beispiel mein Laufschuh kaputt ist, könnte ich ihn einfach im Internet bestellen. Aber wenn mir der Laden um die Ecke eine Laufanalyse anbietet, werde ich wahrscheinlich auch in Zukunft eher dort kaufen.