Ein möglicher Abrechnungsbetrug beschäftigt Polizei und Staatsanwaltschaft in Essen. Der Anlass: ein negatives Testergebnis ohne Coronatest.
Im Zusammenhang mit Corona-schnelltests ermittelt die Polizei Essen ein weiteres Mal gegen einen Anbieter wegen des Verdachts auf Abrechnungsbetrug. Im konkreten Fall geht es um ein negatives Testergebnis. Dieses sei online abrufbar gewesen, obwohl gar kein Coronatest durchgeführt wurde – so der Stand der Ermittlungen.
Die Akte wurde inzwischen an die Staatsanwaltschaft Essen weitergereicht, so Christoph Wickhorst von der Essener Polizei. Um welchen Anbieter es sich handelt, sagte der Behördensprecher auf Nachfrage nicht. Zu weiteren Details wollte sich Wickhorst mit Hinweis auf die laufenden Ermittlungen ebenfalls nicht äußern. Nach dem Betrugsverdacht gegen das Bochumer Unternehmen Medican kommen Coronaschnelltests somit abermals ins Gerede – nicht nur in Essen, auch andernorts in Deutschland sind Polizei und Ordnungsbehörden Unregelmäßigkeiten zur Anzeige gebracht worden. Darunter leiden auch seriöse Anbieter, beklagt Manfred Funke-Kaiser, der selbst drei mobile Teststationen auf Wochenmärkten und vor Lebensmittelmärkten betreibt: „Einige schwarze Schafe bringen eine gute Sache in Verruf.“
Seit vermeintliche Unregelmäßigkeiten bei Medican öffentlich wurden, reagieren Bürger misstrauisch. So meldete sich beispielsweise eine Leserin per E-Mail an die Redaktion. Sie habe sich bei einem Anbieter für einen Coronatest per QR-Code registrieren lassen, um Zeit zu sparen. „Eine Stunde später bekam ich ein negatives Testergebnis, ohne getestet worden zu sein.“ Die Leserin dachte, es handele sich um ein Versehen.
Bürger reagieren misstrauisch
Manfred Funke-Kaiser berichtet, er höre immer wieder von Kunden, dass diese Ähnliches erlebt hätten. Die Polizei hat allerdings keine Hinweise auf weitere konkrete Fälle, erklärte Behördensprecher Wickhorst auf Nachfrage der Redaktion.
Medican war ins Visier der Ermittler geraten, nachdem Journalisten sich vor mehreren Teststellen platziert und gezählt hatten, wie viele Personen hineingingen, um sich augenscheinlich testen zu lassen – in Essen an der Station auf dem Ikea-Parkplatz. Diese Zahl glichen sie später mit der Zahl ab, die den Behörden von Medican gemeldet worden war. Die Diskrepanz rief schließlich die Staatsanwaltschaft auf den Plan.
Ein sicheres Indiz, ob eine gemeldete Zahl an Coronatests plausibel ist oder nicht, ist laut Manfred Funke-Kaiser die Zahl der Mitarbeiter, welche die Tests durchführen. Seiner Erfahrung nach könne ein geübter Tester in einer Stunde 40 Coronatests durchführen. Zudem müssen auch die Teststellen den Mindestabstand von 1,5 Meter einhalten. Ein Partyzelt, das als Teststelle genutzt wird, bietet nur einen überschaubaren Platz.
Am Pfingstsamstag hatten sich besonders viele Bürger testen lassen, erlaubte die gesunkene Sieben-Tage-Inzidenz doch Gastronomen, ihre Biergärten und Terrassen wieder zu öffnen. Unter den zehn Teststellen mit dem größten Zulauf führte die Stadt Essen noch vor vier Medican-Teststellen die Apotheke in der Rathaus Galerie an – mit 2944 Tests. Laut Betreiber Peter Ricken verteilen sich diese in etwa je zur Hälfte auf zwei Tage. Tatsächlich hatte das Testzentrum tags zuvor keine Zahlen gemeldet, wie die Stadt auf Nachfrage mitteilte.
Nachfrage nach Tests sinkt
Laut Gesundheitsministerium ist die Zahl der Tests täglich zu übermitteln. Am nächsten Morgen lägen die Zahlen den Kommunen vor, so dass diese bei unplausiblen Angaben reagieren könnten. Die Stadt nahm an Rickens Mitteilung keinen Anstoß. Im Testzentrum in der Rathaus Galerie gibt es neun Kabinen, in den Bürger getestet werden, so Peter Ricken. Testergebnisse und Daten würden dokumentiert und bis Ende 2023 aufbewahrt, so dass es sehr wohl möglich sei, die Angaben zu überprüfen.
Angesichts der aktuellen Lockerungen der Corona-Beschränkungen sinkt die Nachfrage nach Coronatests. Am vergangenen Samstag meldete die Teststelle „Werdener Autohof“ an der Laupendahler Landstraße mit die meisten Tests. Dort waren es 785. Peter Ricken beobachtet, dass mehr Bürger kostenpflichtige PCR-Tests machen lassen, da sie verreisen wollen. Ein Schnelltest benötigt, wer ins Kino oder Theater gehen möchte, oder wer eine andere kulturelle Einrichtung besuchen will. Das Coronatestzentrum in der Grugahalle, das Ricken auch betreibt, hat seine Öffnungszeiten deshalb angepasst. Tests sind donnerstags, freitags und samstags nun bis 21 Uhr möglich.
Keine neuen Teststellen
Bürger können sich in den Schnelltestzentren kostenlos auf Corona testen lassen. Die Kosten übernimmt der Bund. Die Stadt Essen genehmigt inzwischen keine weiteren Testzentren, da sie die Zahl von zuletzt 379 für ausreichend hält. Einen Überblick über die Testmöglichkeiten gibt es unter www.essen.de/gesundheit.