Essen. Regisseur Damian Popp bringt intensiven Monolog auf die Bühne. Wie Goethes „Faust“ und das Corona-Virus in Falk Richters Stück zusammenfinden.
Hätten wir vor zwei Jahren geglaubt, dass ein Virus unser gewohntes Leben fast zum Erliegen bringt? Wohl kaum. So ergeht es K. Er hatte sich zurückgezogen, um Faust bis zur Premiere einzustudieren. Diese Rolle ist sein Traum. Er repetiert seinen Monolog und plötzlich sind alle Vorstellungen abgesagt wegen des grassierenden Corona-Virus. Der Schauspieler befindet sich allein Zuhause in einem für ihn unbegreiflichen Zustand. So beginnt Falk Richters Stück „Fünf gelöschte Nachrichten“, das am Anfang der Pandemie entstanden ist. Die Premiere in der Casa begeisterte.
Falk Richter hat ein Faible für Menschen in Ausnahmesituationen, die sich auseinandersetzen müssen mit sich selbst und der Welt. Gerne gesellschaftskritisch, gerne in der Nacht. Dieser hier weiß nicht, wie ihm geschieht, versteht nicht die Zusammenhänge, die er so verzweifelt begreifen will. Goethes Faust oder K aus Kafkas „Prozess“ sind Wegbegleiter für den ohnmächtig Ausgelieferten. In dem aufgerissenen Raum von Marlene Lücker, der Einblick in das Innenleben einer Isolation gewährt, verweisen Theaterplakate auf ihren Einfluss.
Ein Parcours der Emotionen
Folkwang-Absolvent Damian Popp inszeniert einen Parcours der Emotionen und Visionen, den er immer wieder mit neuen Bildern speist, zwischen Etagenbett, XXL-Kühlschrank und nicht immer sinnvollem Kameraeinsatz. Die sich aufbauenden Wellen bleiben nicht aus. Dennis Bodenbinder, der mit diesem intensiven Monolog sein Essener Bühnendebüt gibt, bewegt sich darauf gekonnt und setzt sich maximal dem Prozess wachsender Panik aus. Absurde Kanzlerinnen-Ansprache, Nachrichten, Anweisungen, Youtube-Videos prasseln auf seinen K ein und es verwundert nicht, dass Verschwörungstheorien sich in seinem Kopf breit machen.
Auch wenn bei K alles übersteigerter abläuft, so bleibt die Nachvollziehbarkeit. Die Zeit steht still. Seine Einsamkeit wird ihm bewusst und die Beziehungsunfähigkeit. Immer hysterischer fallen seine Anrufe bei Verflossenen aus. Ein Schrei nach Liebe. Ein Ausbruchversuch. Probleme wie die Klimakatastrophe, Gastarbeitereinsatz, Massentierhaltung erscheinen näher dran als zuvor. Warum auch nicht, wenn die Missstände mit einem selbst zu tun haben und aus dem Kühlschrank Blut fließt? Mephisto lässt in Quark-Kaviar-Maske grüßen.
Realitätsbasierter Einsamkeitswahn
Anspielungsreich und realitätsbasiert kommt der Einsamkeitswahn daher, der selbst in der Entspannung nach der dritten Pandemiewelle seine Gültigkeit behält. Es ist der kafkaeske Alptraum eines Schauspielers, der eigentlich Faust spielen sollte und erkennt, dass wir nicht weitermachen können, wo wir aufgehört haben. Was folgt, ist der Traum des Schauspielers Dennis Bodenbinder. Nicht enden wollender Applaus für eine vielschichtige Darstellung zwischen Selbstbespiegelung, Hoffnung und Verzweiflung. Besser hätte der Start in ein Bühnenleben kaum ausfallen können.