Essen. Theater sind dicht, Lesungen abgesagt, Dreharbeiten unterbrochen. Wann es weitergeht, weiß keiner. Essener Darsteller berichten vom Alltag.

Die Corona-Krise stellt auch Schauspieler in Essen derzeit auf eine harte Probe. Denn die meisten stehen ohne Arbeit da. Sie machen sich Gedanken um die Zukunft und versuchen, ihren Alltag, sinnvoll zu gestalten: Teaser für das Theater drehen, alte Texte lesen, Kinder betreuen, die lange nicht mehr angerührte Gitarre spielen, den Körper fit halten oder mal den Keller streichen. Eine Momentaufnahme.

Trotz Corona-Krise aktiv: Ende März war der Schauspieler Henning Baum zu Gast in der Lounge der Funke Mediengruppe, wo er vor laufender Kamera aus der nordischen Mythologie Edda rezitierte.
Trotz Corona-Krise aktiv: Ende März war der Schauspieler Henning Baum zu Gast in der Lounge der Funke Mediengruppe, wo er vor laufender Kamera aus der nordischen Mythologie Edda rezitierte. © FUNKE Foto Services | Kai Kitschenberg

„Ich mache nichts Besonderes“, sagt beispielsweise Henning Baum. Eigentlich würde er jetzt einen Kinofilm drehen, an der Seite von Katja Riemann, Julius Weckauf und dem von ihm so verehrten Otto Waalkes vor der Kamera stehen. „Schon schön mit so einer Legende zu arbeiten“, erzählt der Schauspieler („Der letzte Bulle“) mit einer Spur Enttäuschung in der Stimme. Bei „Catweazle“, einer deutschen Neuverfilmung des britischen Stoffes, wurden die Dreharbeiten eingestellt, bevor es für ihn richtig losging. Nun hält Baum „Haus und Hof in Ordnung“ und versucht, der Krise etwas abzugewinnen: „Die Familie ist mehr zusammen. Das ist doch positiv.“

Er denkt aber auch an die Kollegen, die an freien Theatern engagiert sind und ohne Auftritte keine Einnahmen haben. Orestes Fiedler („Freunde der italienischen Oper“) gehört dazu. Das Theater Freudenhaus ist dicht wie alle anderen Bühnen. Dass er einen Drehtag in einer Serie angeboten bekam, überraschte ihn selbst. Entsprechend streng waren die Schutzmaßnahmen. „1,5 Meter Abstand halten. Die Szenen waren auf wenige Schauspieler reduziert. Man musste sich selbst schminken, um den Kontakt so gering wie möglich zu halten.“ Das war’s dann auch. Die Soforthilfe von 2000 Euro hat er erhalten. „Ich hoffe, dass es noch Möglichkeiten der Unterstützung gibt, wenn es länger dauert.“ Das hatte unlängst die Stadt Essen den freien Kultureinrichtungen und Künstlern zugesichert. Erleichterung für eine Situation, die seit 13. März andauert.

90 Prozent der Einnahmen sind weggebrochen

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Wolfgang Wirringa („Ein seltsames Paar“) empfindet sie als „ungreifbare Bedrohung“. 90 Prozent der Einkünfte seien ihm weggebrochen, berichtet er. Der kleine Auftrag einer spanischen Firma als deutsche Stimme für E-Learning war geblieben und reicht vorne und hinten nicht. „Ich bin 63 und habe immer frei gearbeitet. Der Gedanke, irgendetwas anderes zu tun, macht mir nichts aus. Es geht weiter, irgendwie“, meint er hoffnungsvoll. Momentan mit 10.000 Schritten am Tag, einem Video für die Theaterpräsenz oder einem selbst verfassten Gedicht.

Stefanie Otten („Butterkuchen“) ist rundum zuversichtlich. Selbst, dass sie den 40. Geburtstag ohne Feier verbringen musste, hat ihre stets gute Laune nicht getrübt. Sie hat aber auch das Glück einer Stelle an der Uniklinik Düsseldorf, wo unter ihrer Autorenschaft Patientengespräche von Schauspielern mit Medizinstudenten in Rollenspielen geübt werden. Ganz fest glaubt die Frohnatur: „Nach der Wiedereröffnung der Theater wird es einen Boom geben. Viele Leute werden das Bedürfnis haben, sich zu amüsieren.

Trotz Festanstellung machen sich alle Sorgen

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Die festangestellten Schauspieler des Grillo-Theaters bekommen ihr Gehalt weiterhin. Die fortlaufenden Kosten sind abgedeckt. „Das ist eine ziemlich komfortable Situation“, so Janina Sachau. Ihr ist es schon unangenehm zu sagen, dass ihr zweites Standbein noch funktioniert. Sie konnte ein Hörbuch einlesen und ein Feature für den Deutschlandfunk realisieren. „Als Sprecher ist man alleine im Raum. Da gibt es kaum Möglichkeiten, sich anzustecken“, berichtet sie. Schon vor Corona hat sie sich zuhause eine Sprecherkabine für „Mini-Synchronjobs“ eingerichtet, was sich jetzt als kreativer Ausweg erweist.

Sorgen machen sich alle dennoch. Janina Sachau denkt an die Lage in Flüchtlingslagern. Andere haben Eltern, die Risikopatienten sind, machen sich Gedanken um das politische Ausschlachten in der Krise, private Machenschaften oder die Frage, wie es mit dem Theater nach der Krise weitergehen kann.

„Aus solchen Situationen ist schon viel Kunst entstanden“

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Den meisten fehlt das Publikum, fehlen die Kollegen, obwohl sie alle in Familien oder Hausgemeinschaften leben. Stefan Migge engagiert sich mit einigen Kollegen für einen Videoteaser von „Die Marquise von O.“, der bald auf YouTube zu sehen sein wird. „Ansonsten mache ich das, was wir ohnehin im Homeoffice machen: Text lernen, Körper und Stimme trainieren, mich mit Kleist beschäftigen, Rollenanalyse, Recherche. Man arbeitet einfach weiter. Aus solchen Situationen ist schon viel Kunst entstanden.“

Sachen frisch zu halten, wie „Kleiner Mann, was nun?“, nennt Philipp Noack noch. Jetzt hat er die Ruhe, um Gitarre zu spielen, einen Roman zu lesen, alte Stücke hervorzuholen, seinem Baby beim Wachsen zuzusehen oder für seinen älteren Vermieter einkaufen zu gehen.

„Das Boxen ist dem Theater nicht unähnlich“

Seine Kollegin Sabine Osthoff registriert wie er die Entschleunigung. Sie widmet sich nach einer Schilddrüsen-Operation drei Mal täglich ihrer Stimme mit einer Elektrostimulation und dem Boxen mit live zugeschaltetem Trainer. Seit 15 Jahren hält sie sich so fit. „Das Boxen ist dem Theater nicht unähnlich. Man muss wach sein, reagieren und den Punkt überwinden, an dem man nicht mehr kann“, beschreibt sie ihre Übungen. „Man darf“, sagt sie, „der Krise keinen Raum geben.“

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