Essen. Einsamkeit ist eines der größten Probleme der Corona-Pandemie. Wie ein Essener Pflegeheim mit einer Brief-Aktion versucht, dagegen anzukämpfen.
Freunde und Familie treffen: Das vermissen Essenerinnen und Essener zurzeit am meisten, wie unsere große Umfrage zur Corona-Lage zeigt. Die strengen Corona-Schutzmaßnahmen trafen vor allem Senioren in Altenheimen und Menschen in Pflegeheimen, die zeitweise von der Außenwelt isoliert waren.
„Es war sehr einsam, wir durften ja nicht mal vor die Tür gehen“, erinnert sich Helga Guddat. Die 58-Jährige lebt seit drei Jahren im Alfried-Krupp-Heim. In dem Pflegeheim habe man im vergangenen Jahr ein „gutes Mittel gegen die Einsamkeit“ gefunden, sagt Leiter Frank Schaan: Über die Aktion „Stift und Papier“ haben viele Bewohner junge Brieffreunde gefunden.
„Stift und Papier“ vermittelt Brieffreundschaften zwischen jungen und alten Menschen
Die bundesweite Initiative „Stift und Papier“ entstand mit Ausbruch der Corona-Pandemie in Köln. „Den Anstoß lieferte die Galopprennsport-Legende Hein Bollow. Er war einer der erfolgreichsten Jockeys in Deutschland und wohnte in einem Kölner Seniorenheim in unmittelbarer Nähe zu einer Galopprennbahn, die er täglich besuchte – was die Kontaktsperre unmöglich gemacht hat“, sagt Daniel Goihl, einer der Initiatoren.
Er startete gemeinsam mit Freunden den Aufruf, Briefe an den Senior zu schicken. „Unzählige Interessenten“ hätten sich gemeldet, so Goihl: „Aus dieser bewegenden Erfahrungen haben wir die Aktion ins Leben gerufen.“ Mittlerweile arbeiten sie mit über 450 Einrichtungen in ganz Deutschland zusammen. 43.000 Briefkontakte konnten so bereits vermittelt werden.
Essenerin will Brieffreundschaften auch nach Corona-Pandemie aufrechterhalten
Der Essener Heimleiter Frank Schaan war anfangs überwältigt, wie viele Briefe eintrafen. Hunderte seien es kurz vor Weihnachten gewesen. Bewohnerin Guddat erinnert sich noch gut an den Tag, als der erste Brief für sie eintraf: „Eine Pflegerin kam zu mir und sagte: ‘Helga, du hast Post!’ Das konnte ich gar nicht glauben.“ Sie habe sich seit ihrer Jugend eine Brieffreundin gewünscht – über die Aktion hat sie gleich zwei gefunden.
Mit ihnen schreibt Guddat über den Alltag im Heim, den Garten, ihr Lieblingsessen und die Corona-Situation. Die Brieffreundinnen erzählen ihr von ihren Hobbys, ihrem Zuhause und ihrer Familie. „Am Anfang hatte ich ein komisches Gefühl. Ich wusste nicht, was ich schreiben soll. Aber es wird immer vertrauter“, erzählt Guddat.
Was ihr die Brieffreundschaften bedeuten? „Viel! Es meldet sich ja sonst kaum jemand.“ Sie wolle den Kontakt auf jeden Fall aufrechterhalten. Das sei auch das Ziel der Initiatoren, so Goihl: „Die Idee für die Aktion ist durch die soziale Isolation in der Corona-Pandemie entstanden. Die aber, und da dürfen wir uns nichts vormachen, schon vor der Pandemie existierte und auch danach weiterhin existieren wird.“
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