Essen. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten kritisiert die Arbeitsbedingungen von Lieferando-Fahrern. Der Lieferservice sieht das anders.

Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) kritisiert die Arbeitsbedingungen von Lieferando-Kurieren. Gerade in der Corona-Zeit würden immer mehr Menschen ihr Essen online bestellen. „Das führt zu glänzenden Geschäften beim Marktführer Lieferando“, sagt Adnan Kandemir, Gewerkschaftssekretär der NGG-Region Ruhrgebiet. „Aber die Fahrerinnen und Fahrer, die bei jedem Wetter unterwegs sind, arbeiten zu Niedriglöhnen und teils am Rand der Belastungsgrenze.“

Es könne nicht sein, dass Lieferdienste, die zu den Gewinnern der Pandemie gehörten, ihre Geschäfte auf dem Rücken der Beschäftigten machten. „Lieferando muss sich endlich zu fairen Löhnen und besseren Arbeitsbedingungen bekennen.“

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Lieferando sieht sich zu Unrecht in der Kritik

Ich halte die Kritik für unverhältnismäßig und großteils auch sachlich unbegründet“, heißt es von Lieferando-Sprecher Oliver Klug auf Anfrage. Die Tochtermarke des niederländischen Konzerns Takeaway teilt mit: „Lieferandos Beschäftigungsmodell mit regulär angestellten und entsprechend abgesicherten Fahrern setzt Standards und zeigt, dass faire Beschäftigungsbedingungen in der Branche möglich sind.“ Zum Lohn heißt es: „Durchschnittlich verdienen Lieferando-Fahrer mehr als 12 Euro pro Stunde. In nachfragestarken Regionen sogar bis zu 16,50 Euro pro Stunde inklusive digital gezahlten Trinkgeldern. Bar-Trinkgeld der Konsumenten wird nicht erfasst und kommt hinzu."

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Die Gewerkschaft NGG kritisiert indes insbesondere den „Anreiz zur Akkordarbeit“. Um über „den Einstiegsverdienst von nur zehn Euro pro Stunde“ zu kommen, müssten Beschäftigte möglichst viele Bestellungen in möglichst kurzer Zeit ausliefern. Ab der 25. Bestellung würde ein Zuschlag von 25 Cent pro Order gezahlt, ab dem 100. Auftrag gebe es einen Euro mehr. „Dieses System führt zu großem Stress bei den Fahrern, denen jede rote Ampel wertvolle Zeit kostet. Um schnell voranzukommen, setzen sie häufig ihre Gesundheit aufs Spiel“, so Kandemir. Das Beschäftigungsmodell erlaube „einen fairen Verdienst bei einer sicheren Fahrweise“, entgegnet Lieferando.

Gewerkschaft NGG weist auf hohe Provisionen hin

Lieferando teilt zu dem Boni-System mit: „Es honoriert die Leistung von Fahrern, die monatlich mehr als zwei bis drei Schichten arbeiten, indem diese bereits ab einer Arbeitszeit von 11,5 Stunden pro Woche erhöhte Boni erhalten. Fast alle Fahrer erhalten Boni, zusätzlich zu ihren festen Löhnen und den Sozialleistungen.“ Selbst der Stundenbasislohn „liege klar über dem Mindestlohn“, so Lieferando.

Die Gewerkschaft NGG will sich für einen Tarifvertrag einsetzen, sieht aber nicht nur bei den Lieferando-Fahrern Probleme. Viele Gastronomen würden hohe Provisionen kritisieren. Adnan Kandemir sagt: „Die pressen beide Seiten aus: Diejenigen, die den Fahrdienst machen und die Gastronomen.“ Er ergänzt: „Wir sind da dran, Lieferando zu stören – so geht das einfach nicht.“

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