Essen. Die Preise für Häuser und Eigentumswohnungen in Essen haben in der Corona-Krise noch einmal deutlich angezogen. Ist der Boom aber bald vorbei?

Die Preise für Wohnimmobilien gehen zwar schon seit Jahren in Essen nach oben. Doch die Corona-Pandemie hat die Entwicklung noch einmal kräftig angeheizt. „Die Preise für Eigentumswohnungen und Wohnhäuser sind im vergangenen Jahr regelrecht galoppiert“, sagt Stefan Pásztor, Vorsitzender des Rings Deutscher Makler (RDM) in Essen. Teilweise müsse man nun auch in Essen von einer Immobilienblase sprechen, die sich vor allem in den südlichen Stadtteilen zeige. Es würden dort mittlerweile Preise gezahlt, die mit dem Bodenrichtwert und dem Objektwert objektiv nicht mehr begründbar seien.

Schon vor einigen Wochen hatte das Immobilienportal Immowelt berichtet, dass die Preise für die dort inserierten Eigentumswohnungen binnen einen Jahres im Schnitt um 30 Prozent gestiegen sind. Stefan Pásztor bestätigt diese Größenordnung. Bei Eigenheimen sei es teils sogar noch mehr. Ein Beispiel aus seiner Maklerpraxis: Eine Doppelhaushälfte in Kettwig, die Ende 2018 noch 480.000 Euro kostete, wurde jetzt für 610.000 Euro angeboten. „Der Markt ist verrückt.“

Corona verstärkte den Wunsch nach eigener Immobilie

Der starke Preisanstieg in der Coronakrise hat Immobilienexperten wie Pásztor überrascht. Denn mit Ausbruch der Pandemie war eher damit zu rechnen, dass sich die Menschen wegen der großen wirtschaftlichen Unsicherheit mit Immobilienkäufen zurückhalten würden. Doch das Gegenteil war der Fall: Corona hat den Wunsch nach einer eigenen Immobilie vielfach noch einmal verstärkt. Diesen können sich freilich nicht die Menschen erfüllen, die in Kurzarbeit sind oder um ihren Arbeitsplatz fürchten müssen. „Aber Leute mit einem großen Vermögen oder solche in krisensicheren Jobs“, betont der RDM-Chef.

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Corona hat dabei auch die Immobilienwünsche der Essener verändert. Besonders Häuser oder Wohnungen mit Garten sind jetzt deutlich mehr gefragt, meint Pásztor. Die Kinder zu Hause statt in der Schule, Arbeit im Homeoffice, geschlossene Sportstätten und Gaststätten - durch die Beschränkungen in der Corona-Zeit würden sich die Menschen nach alternativen und geschützten Erholungsmöglichkeiten umschauen, weiß Pásztor aus Erfahrung. „Die Leute suchen Ausweichmöglichkeiten.“

Hohe Nachfrage nach Immobilien, aber weniger auf dem Markt

Aber auch die Flucht in Sachwerte hat laut Pásztor in den vergangenen Monaten noch einmal zugenommen; und das hat nicht nur mit Corona zu tun. Denn seit Banken verstärkt Negativzinsen für hohe Vermögen verlangen, würden sich die Gutsituierten nach alternativen Anlagen für ihr Geld umschauen.

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Die „unfassbar hohe“ Nachfrage in Essen trifft jedoch auf einen Markt, auf dem das Angebot weiter abnimmt. Der Trend zwischen März 2020 und März 2021 lässt sich Pásztor so zusammenfassen: „Immer weniger Angebot trifft auf immer stärker steigende Preise.“ Das unterstreiche auch der aktuelle Grundstücksmarktbericht des Gutachterausschusses, an dem Pásztor mitwirkt und der in Kürze veröffentlicht wird.

Wie stark der Ansturm ist, macht Pásztor an einem Hausverkauf in Kray deutlich, das er kürzlich im Internet angeboten hatte. Binnen 20 Minuten habe er über 100 Anfragen dafür gehabt. Am Ende sei das Haus sogar noch über dem ursprünglichen Angebotspreis verkauft worden.

Ist der Preisanstieg bald vorbei?

Pásztor glaubt jedoch, dass die Preisspirale zum Stillstand kommen wird und die Auswirkungen der Corona-Krise auf dem Essener Immobilienmarkt sichtbar werden. Schon im Herbst könnte diese Entwicklung bei Wohn- und Geschäftshäusern einsetzen, wenn Mieteinnahmen durch Insolvenzen oder Geschäftsschließungen wegbrechen. Mancher Hausbesitzer werde sich dann wohl von seiner Immobilie trennen wollen oder gar müssen. Auf dem Markt für selbst genutzte Wohnimmobilien dürften die Corona-Folgen etwas später kommen. Pásztor rechnet in der ersten Jahreshälfte 2022 damit. „Dann wird das Immobilienangebot insgesamt wieder steigen, was sich auf die Preise auswirken dürfte.“