Düsseldorf.. In NRW gab es fünf Todesfälle, die in Zusammenhang mit der Astrazeneca-Impfung stehen könnten. Laumann sieht keine Verzögerung der Impfkampagne.
- Das Land NRW stoppt die Astrazeneca-Impfung für Menschen unter 60: Vor allem in der Gruppe der 20 bis 29-jährigen Frauen zeichne sich mit Blick auf Thrombose-Fälle ein zu hohes Verhältnis von Risiko und Nutzen ab. Nach Risikoabwägung und Aufklärung können aber auch Jüngere den Impfstoff weiter erhalten.
- Fünf der sechs Unikliniken das Landes NRW hatteen eine schriftliche Warnung vor Thrombosen als gefährliche Nebenwirkung veröffentlicht. Zwei Fälle aus Euskirchen nach einer Astrazeneca-Impfung hatten in NRW für Diskussionen gesorgt. Bislang seien in NRW fünf Menschen unter 60 gestorben.
- Ab Ostersamstag können alle Menschen über 60 Jahren neue Impftermine in den 53 Impfzentren buchen. Dort wird der Impfstoff von Astrazeneca verimpft, von dem das Land am Wochenende 450.000 Dosen geliefert bekommt.
Nach der neuen Altersbeschränkung für das Präparat von Astrazeneca auf über 60-Jährige rücken die Konsequenzen für die Corona-Impfungen in NRW in den Blick. Trotz der nur noch begrenzten Einsetzbarkeit des Astrazeneca-Impfstoffes geht NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann aber nicht von Verzögerungen der Impfkampagne aus. Das erklärte Laumann am Mittwoch in einer Pressekonferenz, an der auch der Ärztliche Leiter der Uniklinik Essen teilnahm. Auch warb der Gesundheitsminister um Vertrauen für das Vakzin.
Bisher fünf Todesfälle in NRW nach Astrazeneca-Impfungen
In NRW gab es laut Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann bislang acht schwere Ereignisse in Zusammenhang mit der Astrazeneca-Impfung, fünf Menschen seien gestorben. Laut Ministerium handelt es sich um vier Frauen und einen Mann. Alle seien jünger als 60 Jahre gewesen.
Wissenschaftler vermuten bei ihnen als Todesursache eine schwere Immunreaktion, jedoch sei noch vieles ungeklärt. Laut Ministerium waren nicht bei allen fünf Todesfällen in NRW Thrombosen in Hirnvenen die Ursache, aber ähnliche „thrombo-embolische Ereignisse“.
Medizin-Professor: Risiko von Blutgerinnseln in Hirnvenen bei Jüngeren deutlich höher
Prof. Dr. Jochen Werner, Ärztlicher Leiter der Uniklinik Essen, sieht auch keinen Grund, dass über 60-Jährige sich nicht mit Astrazeneca impfen lassen sollten. Für diese Altersgruppe sei der Impfstoff wirkungsvoll und zu empfehlen, sagte der Medizin-Professor. Ohne ihn beim Namen zu nennen, kritisierte Werner die Aussage des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder, der am Dienstag zu Astrazeneca-Impfungen gesagt hatte: „Wer will und wer es sich traut quasi, der soll auch die Möglichkeit haben“. Die Frage „Wer traut sich?“, sei „vollkommen falsch“, sagte Werner. Die Frage sei vielmehr: „Wer möchte es haben? Da wird es einige geben und die werden froh sein.“
Die politische Entscheidung sei richtig, da es hier eine unterschiedliche Nutzen-Risiko-Abwägung gebe, erklärte Werner. Für junge Menschen sei es extrem unwahrscheinlich, dass sie an Covid-19 sterben. In dieser Altersgruppe sei das Risiko von Blutgerinnseln in Hirnvenen hingegen deutlich höher. Insgesamt gehe es hier aber um „super seltene Ereignisse“. Ob sich Rauchen und bei Frauen, die die Pille nehmen, das Risiko für solche Erkrankungen potenziere, kann der Ärztliche Direktor des Essener Uniklinikums derzeit nicht sagen.
Die Impfkampagne sei immer „ein lernendes System“, erklärte Professor Werner. Nach der Zulassung eines Vakzins mit einigen Zehntausend Studien-Teilnehmern könne es nach millionenfacher Verimpfung bei den Praktikern weitergehende Erkenntnisse geben. „Die Resultate können nicht am grünen Tisch erarbeitet werden oder aus der Literatur nachvollzogen werden“, so Werner.
Astrazeneca-Impfung in NRW: Hier gibt es weitere Informationen
- Hintergrund: Astrazeneca: Für welche Personen der Warnhinweis gilt
- Hintergrund: Astrazeneca-Impfung: Was man über Thrombosen wissen muss
- Weitere Informationen: Corona-Impfungen: Astrazeneca nur noch für Menschen über 60
- Vergleich: Corona-Impfstoffe im Vergleich: Astrazeneca, Moderna und Co.
- Nebenwirkungen: Corona-Impfung: Nebenwirkungen bei Astrazeneca und Co.
Laumann: NRW wird weiter auf NRW bei Corona-Impfungen setzen
Für Laumann steht außer Frage, ob der Astrazeneca-Impfstoff weiter genutzt werde. Er sei weiterhin hochwirksam, so der Minister und werde auch in NRW weiter verimpft. Bislang habe NRW rund 700.000 Dosen des Astrazeneca-Vakzins verimpft. "Was wir an AstraZeneca aufgrund der pandemischen Lage schnell verimpfen können, werden wir tun", so der NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann am Mittwoch. "Ich hätte auch null Probleme damit, mich sofort mit Astrazeneca impfen zu lassen."
Zu den Zweit-Impfungen mit AstraZeneca gibt es noch keine Entscheidung. Laumann: "Die Ständige Impfkommission geht immer von Fakten aus. Die muss man aber erst mal haben und bewerten, um dann zu einer Entscheidung zu kommen." Jeder, der schon eine erste Impfung mit Astrazeneca bekommen habe, müsse sich keine Sorgen um die Zweitimpfung machen. Bis die in der zweiten Mai-Woche anstehe, sei geklärt, wie das Immunisierungsverfahren fortgesetzt werde.
NRW bietet ab Ostersamstag neue Impftermine mit Astrazeneca an
Am Wochenende wird NRW weitere 450.000 Dosen des Astrazeneca-Vakzins erhalten, die an den Ostertagen verimpft werden sollen. Dafür würden die Kassenärztlichen Vereinigungen am Ostersamstag neue Termine in den 53 Impfzentren des Landes freischalten. Über Ostern werde in den 53 Impfzentren mit zusätzlichem Personal und zusätzlichen Öffnungszeiten geimpft.
Diese Termine können jedoch nur Menschen über 60 Jahren buchen. "Wer sich anmeldet, muss aber wissen, dass mit Astrazeneca geimpft wird, Wer das nicht will, müsse sich gar nicht erst melden", so Laumann weiter. In NRW gibt es 2,2 Millionen Menschen zwischen 60 und 69 Jahren, und noch einmal 1,5 Millionen zwischen 70 und 80. Der Kreis, der sich ab Karsamstag um eine Astrazeneca-Impfung bemühen darf, liegt also bei rund 3,5 Millionen Menschen.
Buchungssystem für Impftermin könnte Samstag überlastet sein
Laumann bittet vorab um Verständnis dafür, dass das Buchungssystem der Kassenärztlichen Vereinigung am Samstag womöglich kurzzeitig überlastet sein könnte. Das mache es aber nicht per se zu einem schlechten System, so der Minister. Die Gruppe derer, denen nun ein Impfangebot gemacht wird, sei viel größer als die der über 80-Jährigen. Es wird nicht wie ursprünglich bei den Ü70-Jährigen geplant, nach Jahrgängen eingeladen. Stattdessen können sich alle Menschen, die 60 Jahre oder älter sind, mit Astrazeneca impfen lassen. Es betrifft also die Altersspanne bis einschließlich 78. (Die 79-Jährigen sind bereits mit einem Impfangebot angeschrieben worden und können für sich und ihre Partner ab Dienstag Termine buchen). In NRW gibt es 2,2 Millionen Menschen zwischen 60 und 69 Jahren, und noch einmal 1,5 Millionen zwischen 70 und 80. Der Kreis, der sich ab Karsamstag um eine Astrazeneca-Impfung bemühen darf, liegt also bei rund 3,6 Millionen.
Nach Ostern 400.000 Impfdosen für Hausärzte in NRW
Nach Ostern sollen die Corona-Impfungen auch in Hausarztpraxen in Nordrhein-Westfalen anlaufen. Dafür würden nach den Ostertagen rund 400.000 Impfdosen geliefert. In den Praxen soll in den ersten zwei Wochen das Biontech-Vakzin verimpft werden. Damit sollen die Ärzte vor allem chronisch kranke und stark pflegebedürftige Menschen unter 60 Jahren impfen. Später werde dann Astrazeneca eingesetzt.
Astrazeneca-Impfung in NRW: Schriftliche Warnung der Unikliniken
Hintergrund der Astrazeneca-Aussetzung ist eine schriftliche Warnung von fünf der sechs Universitätskliniken des Landes vor Thrombosen als mögliche gefährliche Nebenwirkung. Das Risiko weiterer Todesfälle bei jüngeren Frauen sei zu hoch, hieß es in dem Schreiben der Ärztlichen Direktoren an Laumann und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU).
Derweil steigen die Corona-Infektionen weiter an. NRW verzeichnet innerhalb eines Tages über 3400 Neuinfektionen, 960 mehr als am Vortag. Nur noch zehn Kreise und kreisfreie Städte liegen unter der Sieben-Tage-Inzidenz von 100. Hilft nur noch ein harter Schritt? Virologe Christian Drosten fordert nun einen Holzhammer-Lockdown gegen Corona.
Astrazeneca-Impfung in NRW: Mehrere Unikliniken in NRW sehen zu hohes Risiko für jüngere Frauen
Vor allem in der Gruppe der 20- bis 29-jährigen Frauen zeichne sich mit Blick auf Thrombose-Fälle nach Astrazeneca-Impfungen ein zu gefährliches Verhältnis von Nutzen und Risiko ab. Die Uniklinik Köln empfahl ihren eigenen weiblichen Angestellten unter 55 Jahre bereits keine Impfung mehr mit Astrazeneca. Das Land Berlin hatte als erstes nach einem entsprechenden Vorstoß der Charité umgehend alle Astrazenca-Impfungen für Menschen unter 60 ausgesetzt.
In dem zweiseitigen Schreiben an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann (beide CDU), das von den Ärztlichen Direktoren der fünf Kliniken unterzeichnet worden war, wurde Bezug auf die bislang bekannten Verdachtsfälle von Thrombosen nach Astrazeneca-Impfungen genommen. Die Experten stellen dann die Todesfälle durch Covid-19 bei 20- bis 29-jährigen Frauen den potenziellen lebensbedrohlichen Impfkomplikationen in der gleichen Altersgruppe gegenüber.
Astrazeneca-Impfung in NRW: Frau aus dem Kreis Euskirchen starb nach Impfung
Zu Wochenbeginn war das Gesundheitsministerium durch zwei Meldungen aus dem Kreis Euskirchen aufgeschreckt worden. Dort hatte man schon am Montag vorsorglich die Astrazeneca-Impfungen für Frauen unter 55 gestoppt. Eine 47-Jährige hatte wenige Tage nach der Impfung eine Sinusvenenthrombose (Blutgerinsel im Gehirn) erlitten und war gestorben. Eine weitere 28-jährige Frau musste mit dem gleichen Krankheitsbild nach der Impfung in eine Spezialklinik gebracht werden.
Noch vor der Entscheidung aus dem Landesgesundheitsministerium und der Ständigen Impfkommission, die hatten mehrere Impfzentren in NRW bereits Astrazeneca-Impfungen für jüngere Frauen vorsorglich gestoppt. Dazu zählten mehrere Städte, darunter Essen, Köln, die Kreise Heinsberg und Gütersloh.
Erneuter Impfstopp mit Astrazeneca ist weiterer Imageschaden
Auch interessant
Das Vakzin des britischen Herstellers Astrazeneca litt schon bislang unter einem erheblichen Imageschaden und wurde von zahlreichen Impfberechtigten abgelehnt. Zunächst gab es wegen unzureichender Testreihen bei Senioren nur eine Zulassung ausdrücklich für jüngere Menschen, die später erweitert wurde.
Dann setzten im März Deutschland und weitere EU-Staaten die Impfungen wegen Hinweisen auf die seltenen Thrombosen aus. Die Europäische Arzneimittel-Agentur und die Stiko hatten jedoch nach erneuter Prüfung wieder grünes Licht gegeben.
Impfung mit Astrazeneca unter bestimmten Voraussetzungen auch U60 möglich
Das NRW-Gesundheitsministerium hatte zunächst auf eine Sondersitzung der Gesundheitsminister von Bund und Ländern mit der Ständigen Impfkommission (Stiko) verwiesen. Die Gesundheitsminister schlossen sich dann am Dienstagabend der Empfehlung an, nur noch für Personen ab 60 Jahren mit dem Astrazeneca-Vakzin zu impfen.
Unter 60-Jährige sollen sich „nach ärztlichem Ermessen und bei individueller Risikoanalyse nach sorgfältiger Aufklärung“ weiterhin damit impfen lassen können. (dpa/tobi/mawo)