Essen. 55 Verfahren nach mutmaßlichen Kfz-Rennen hat die Polizei vergangenes Jahr in Essen eingeleitet. Behörde kündigt Kontrollen am „Carfreitag“ an.

Auch wenn der öffentliche Eindruck der vergangenen Monate nach diversen in Essen beschlagnahmten PS-Boliden und ebenso vielen sichergestellten Führerscheinen ein anderer sein mag - mit dem Fokus auf mutmaßlich illegale Autorennen auf den Straßen der Stadt bleibt Essens Polizei bei ihrer Einschätzung: „Wir haben noch keine etablierte Raserszene“, bekräftigt Polizeidirektor Ulrich Sievers.

Dennoch kündigt der Chef der Verkehrsdirektion der Essener Behörde verstärkte Kontrollen am sogenannten „Carfreitag“ vor Ostern an. Die Polizei wird ein Auge haben auf die bekannten Treffpunkte, an denen sich junge Leute mit ihren Karossen regelmäßig versammeln - etwa am Berthold-Beitz-Boulevard, auf der Thyssen-Krupp-Allee oder am Niederfeldsee in Altendorf.

Diese Klientel sei aber nicht unbedingt mit den in Essen immer wieder erwischten selbsternannten Rennfahrern identisch, betont Sievers mit Blick auf die meist jungen Männer, die grob verkehrswidrig und rücksichtslos Gas geben, mit quietschenden Reifen und ausbrechendem Heck von einer Ampel zur nächsten rasen, auch ohne sich mit einem zweiten Beteiligten zu messen. Beschleunigungsrennen heißt das im Fachjargon und das kann unter Umständen genauso als Straftat auf der Straße gewertet werden wie ein Duell zwischen zwei Autofahrern, „was in Essen nicht so häufig vorkommt“, weiß Sievers.

Drei mutmaßlich illegale Autorennen an einem Wochenende

Aber es passiert - und das sogar unter den Augen der Ordnungshüter: Am Abend des 27. Januar gelang es der Polizei, zwei Raser auf der Thyssen-Krupp-Allee aus dem Verkehr zu ziehen. Mit über 100 Sachen lieferten sich zwei 21 und 22 Jahre alte Essener mit ihren Daimler C-Klassen ein Rennen. Führerscheine und Fahrzeuge wurden sichergestellt. Anfang Februar raste ein 28-jähriger Fahrer eines Ford Mustang nach Polizeiangaben mit weit mehr als 100 Stundenkilometern über Ausfallstraßen der Essener Innenstadt. Nach einer Verfolgung durch Zivilkräfte konnte der Mann an der Bismarckstraße ausgebremst werden.

Gleich drei Autos an einem Wochenende stellten Beamte Mitte März sicher: Wegen des Verdachts illegaler Autorennen mit hoher Geschwindigkeit wurden gegen zwei 19 und 27 Jahre alte Männer und eine Frau (21) Strafverfahren eingeleitet. Erst vor wenigen Tagen wollte sich ein 20-jähriger Essener ausgerechnet mit einem Zivilwagen der Polizei messen, um an nur einige wenige brenzlige Situationen aus der jüngsten Vergangenheit zu erinnern.

Polizei rechnet in diesem Jahr mit mehr Strafverfahren

34 Anzeigen nach vergleichbaren Verstößen in Essen hat die Polizei 2018 geschrieben, ein Jahr später waren es 58, in 2020 exakt 55. Das ist eine moderate Größenordnung verglichen mit dem Landestrend: Zählten die Behörden vor zwei Jahren NRW-weit noch 766 dieser Verdachtsfälle, waren es in 2020 bereits 1515.

Was die Entwicklung in Essen angeht, wagt Polizeidirektor Sievers die „vorsichtige Prognose“, dass in diesem Jahr mehr Verfahren nach mutmaßlichen illegalen Kraftfahrzeugrennen dazukommen könnten. „Die Kollegen auf den Straßen sind mittlerweile sehr sensibel“, was solche Verstöße angehe, die seit 2017 nicht mehr nur als Ordnungswidrigkeit, sondern als Straftat gewertet werden können.

In wie vielen Fällen die Maßnahmen der Polizei von Gerichten vollumfänglich bestätigt wurden, ist selbst der Behörde nicht bekannt: „Darüber bekommen wir keine Mitteilung“, so Sievers.

Verfolgungsdruck könnte für Verdrängungseffekte sorgen

Die verstärkten Kontrollen an Karfreitag, die der Polizeidirektor ankündigt, hätten im Übrigen auch den Sinn zu signalisieren, dass Essen kein geeignetes Pflaster für Rennen ist. „Nach dem Motto wehret den Anfängen, werden wir alles daran setzen, dass sich keine Raserszene etabliert“, signalisiert Sievers, der nicht ausschließen will, dass der aktuelle Verfolgungsdruck etwa der Dortmunder Polizei durchaus für Verdrängungseffekte in Richtung Essen sorgen könnte.

Denn, wie formulierte es noch jüngst eine Temposünderin aus dem Westfälischen, als sie wegen des Verdachts eines illegalen Rennens von der hiesigen Polizei ausgebremst wurde: „In Essen ist es auch ganz schön.“