Essen-Altenessen/Stoppenberg. Name und Sinnhaftigkeit der geplanten Gesundheitskioske im Essener Norden werden heiß diskutiert und sind am Mittwoch auch Thema im Rat.
Zwei Gesundheitskioske sollen noch in diesem Jahr zentraler Anlaufpunkt für Bürger im Essener Norden werden. Während die Diskussion über den Namen und die Sinnhaftigkeit des Projektes schon voll entbrannt ist, soll der Rat in seiner Sitzung am Mittwoch (24.3.) eine Machbarkeitsstudie dafür in Auftrag geben und die Verwaltung dazu bringen, das Projekt umzusetzen.
Bürger und Bewohner sollen in den Gesundheitskiosken – die zunächst in der Alten Badeanstalt in Altenessen und in Stoppenberg geplant sind – speziell auf die jeweiligen Bedürfnisse abgestimmte Versorgungs- und Beratungsangebote erhalten. Angesprochen sind beispielsweise Menschen mit Behinderung, Pflegebedürftige, chronisch oder mehrfach erkrankte Menschen, werdende Eltern, Familien und Jugendliche.
Bei Facebook wird gewitzelt und kritisiert
Unumstritten ist das neue Angebot keineswegs. Nicht nur im Netzwerk Facebook wird kritisiert und gewitzelt: Krankenkassen würden das gleiche leisten wie das, was die Gesundheitskioske bieten sollen, zudem gebe es Apotheken, in denen persönliche Beratung geboten und entsprechende Zeitschriften verteilt würden. Es gebe im Norden einen eklatanten Mangel an Fachärzten, da würde eine Beratung, zu welchem man gehen solle, nicht helfen. Eine Nutzerin spricht von „Augenwischerei“: Im Norden werde ein Krankenhaus gebraucht, das erreichbar sei und keine Schnapsidee, um die Leute zu beruhigen.
Auch Politiker mischen kräftig mit, so schreibt Friedrich Frentrop, Bezirksvertreter des Essener Bürgerbündnisses: „Schlägt dein Herz nicht mehr im Takt, auf zum Kiosk, zack, zack.“ Tatsächlich empfinden die meisten den Namen als unglücklich gewählt, gerade im Ruhrgebiet. Bezirksbürgermeister Michael Zühlke, zuständig für Schonnebeck, Stoppenberg und Katernberg, hätte „Gesundheitsstützpunkt“ besser gefunden und ringt sich ein „in Ordnung“ für die grundsätzliche Idee ab.
Fünf Vollzeit-Pflegekräfte pro Standort
Erfahrungen aus Hamburg haben den Anstoß dazu gegeben, auch für Altenessen und Stoppenberg zu prüfen, inwiefern ein Gesundheitskiosk zu einer Verbesserung der Gesundheitssituation und langfristig zu einer höheren Lebenserwartung führen kann. In der Ratsvorlage heißt es: „Die Voraussetzungen hierfür sind aus Sicht der Verwaltung günstig: Beide Stadtteile verfügen über ein ausgeprägtes Netzwerk in der Gesundheitsversorgung, große Teile der Ärzteschaft sind an innovativen Versorgungsmodellen interessiert, und im Rahmen von Präventionsprogrammen wird unter anderem in der Jugendhilfe seit geraumer Zeit versucht, den sozialen und Gesundheitsproblemen zu begegnen.“
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Ein weiteres Detail: Sogenannte Gesundheitslotsen sollen sich vor allem um Gesundheitsförderung kümmern. In der aktuellen Ratsvorlage werden dafür pro Standort fünf Vollzeit-Pflegefachkräfte vorgeschlagen, beispielsweise aus dem Masterstudiengang „Community Health Nursing“ der Universität Witten-Herdecke. Die Gesundheitskioske sollen wissenschaftlich begleitet und evaluiert werden.
Dass diese Art der Gesundheitsversorgung- oder vielmehr Prävention gebraucht wird, haben laut Ratsvorlage Befragungen der Ärzte, der sozialen Einrichtungen sowie Engagierten und Senioren vor Ort ergeben. In der Machbarkeitsstudie soll jetzt die Organisation und das Leistungsprofil des Gesundheitskiosks detailliert erarbeitet werden. Dafür sollen auch Bevölkerungsdaten und Fakten zur Versorgungssituation im Essener Norden berücksichtigt werden. Außerdem soll ein Finanzierungsplan aufgestellt werden. Die Kosten der Studie trägt die Stadt, die Gesundheitskioske sollen je zur Hälfte von den beteiligten Krankenkassen und der Stadt Essen getragen werden.
Es geht um mehr als zwei Gesundheitskioske
Für die Machbarkeitsstudie spielen außerdem die Bedarfe, die gesellschaftliche und politische Akzeptanz sowie die Unterstützung der Akteure vor Ort eine wichtige Rolle. Und da haben sich in den vergangenen Tagen bereits einige zu Wort gemeldet.
Projekt ist in anderen Ländern bereits etabliert
Der erste Gesundheitskiosk in Deutschland wurde 2017 in Hamburg-Billstedt/Horn eröffnet, um Herausforderungen wie demografischer Wandel, dem Anstieg chronischer Erkrankungen und dem Mangel an Ärzten und Pflegepersonal in sozial benachteiligten Regionen zu begegnen. Die Stadtverwaltung sieht Parallelen zum Essener Norden. „Insofern liegt es nahe, auch hier eine erweiterte strukturierte Gesundheitsversorgung zu schaffen“, heißt es in der Ratsvorlage.Nach Angaben der Stadt übernehmen niedrigschwellige Institutionen wie der Gesundheitskiosk in anderen Ländern eine zentrale Rolle in der primären Versorgung, die weit über den in Deutschland üblichen Arztbesuch hinausgehe. Dazu zählen unter anderen Finnland, Kanada, Irland, Thailand und die USA.
Für den Norden geht es jedoch um mehr als zwei Gesundheitskioske. Das wird beim Blick auf die Tagesordnung des Rates für Mittwoch (24.3.) deutlich. Gleich fünf Tagesordnungspunkte befassen sich mit der Thematik. CDU und Grüne stellen unter anderem einen ausführlichen Antrag zur Gesundheitsversorgung, der als einer von vielen Punkten die Priorisierung des heutigen Standortes St. Vincenz als innovatives Gesundheitszentrum vorsieht. Beginn ist um 15 Uhr in der Grugahalle, Messeplatz 2. Besucher sind willkommen.