Essen. Rom verweigert homosexuellen Paaren den kirchlichen Segen. Ein schwules katholisches Paar aus Essen reagiert „fassungslos“ auf das Vatikanpapier.
Gleichgeschlechtlichen Paaren soll nach dem Willen des Vatikans der kirchliche Segen vorenthalten bleiben, auch in Essen empfinden Homosexuelle dies als Schlag ins Gesicht. Viele liberale Gläubige reagieren ähnlich frustriert und empört wie Rainer Teuber, der seit 2004 mit einem Mann verheiratet ist. „Ich bin fassungslos“, sagt der 52-Jährige, der im Essener Domkapitel die Museumspädagogik und den Besucherservice des Domschatzes leitet.
Es sei eine widersprüchliche und letztlich unhaltbare Situation, in der sich schwule Katholiken in der Kirche befänden. Denn Paare, die den Segen haben möchten, könnten ihn hierzulande durchaus bekommen. Doch das geschehe dann allenfalls inoffiziell und in konspirativer Atmosphäre – vielleicht heimlich bei einem Priester zu Hause oder diskret hinter den verschlossenen Türen einer Kirche. Teuber spricht Klartext und stellt klar: „Ein Segen unter dem Radar kommt für meinen Mann und mich nicht in Frage, das elende Versteckspiel muss endlich aufhören.“
„Ein Segen unter dem Radar kommt für meinen Mann und mich nicht in Frage“
Die Praxis im Bistum Essen beschreibt der Kirchenmitarbeiter als liberal. In einem anderen Bistum hingegen habe ein Priester nach der Segnung eines schwulen Paares dienstrechtliche Konsequenzen zu spüren bekommen. Dergleichen passiere in Essen nicht.
Das ist neben dem Bischof Generalvikar Klaus Pfeffer zu verdanken, der mittlerweile einer der auch politisch profiliertesten Generalvikare in Deutschland ist. Oft nutzt der Verwaltungschef des Bistums Essen das Netzwerk Facebook, um für den so genanten „Synodalen Weg“ und die Öffnung der Kirche für Frauen zu streiten oder den Pflichtzölibat zumindest zu diskutieren.
Generalvikar Klaus Pfeffer streitet engagiert gegen das Vatikanpapier
Seit Tagen äußert er sich in Interviews und auf seiner Facebook-Seite kritisch und teils sehr persönlich zu dem Vatikanschreiben zur Homosexualität. Es mache ihn „unendlich traurig, in welcher Weise meine Kirche gerade erodiert“, schreibt Pfeffer - und fügt hinzu: „Was für eine Hybris zu glauben, wir müssten Gott vor mutmaßlich sündigen Situationen schützen; wir müssten den Segen Gottes schützen, dass er nur ja nicht die ‘Falschen’ erreicht.“
Segen für alle? Katholische Akademie erörtert das Thema
Rainer Teuber leitet seit 2017 die Museumspädagogik und den Besucherservice der Domschatzkammer. Mehr als 10.000 Menschen hat er den Domschatz gezeigt, er ist ein bekanntes Gesicht der Kirche in Essen. Beim Domkapitel des Bistums Essen ist er schon seit 1994 beschäftigt.
Die Katholische Akademie „Die Wolfsburg“ veranstaltet am 31. April eine digitale Fachtagung zum Thema „Segen für alle!? Segensfeiern für gleichgeschlechtliche Paare“.
Weil sich Rainer Teuber in der Rolle eines Aktivisten sieht, der offensiv für gleiche Rechte von Schwulen und Lesben in der katholischen Kirche eintritt, bleibt er in der Sache unnachgiebig. „Wir wollen den Segen Gottes und nicht den Segen eines Priesters, wir möchten nichts Verbotenes.“
Die Entscheidung der Glaubenskongregation erwischt die katholische Kirche in einer schwierigen Phase. Die Art und Weise, wie etwa der Kölner Erzbischof Woelki mit dem brisanten Thema „Sexueller Missbrauch“ umgeht, hat die Zahl der Austritte in die Höhe schnellen lassen. Hinter vorgehaltener Hand sprechen Kirchenoffizielle von einer miserablen Stimmung in den deutschen Diözesen.
Generalvikar: „Unendlich traurig, in welcher Weise meine Kirche gerade erodiert“
Auch Bischof Franz-Josef Overbeck hat rasch auf die Ankündigung der Glaubenskongregation reagiert. Die Seelsorgerinnen und Seelsorger in den Gemeinde vor Ort, so der Ruhrbischof, seien „mit der ganzen Breite und den vielen Dimensionen des menschlichen Daseins vertraut“. „Sie stehen allen Menschen zur Seite, die dies möchten.“
In zahlreichen Kommentaren in den sozialen Netzwerken – meistens fundiert und mitunter polemisch – kritisieren Katholiken die Segens-Verweigerung Roms. Sie verweisen darauf, dass Priester sehr wohl Feuerwehrfahrzeuge und Landmaschinen segneten, mitunter auch die Vogelstangen von Schützenvereinen, aber eben keine homosexuellen Paare. Auch Bistumssprecher Ulrich Lota ärgert sich über den Vatikan. „Wir gewinnen vielfach den Eindruck, dass sich die Römer von der Lebenswirklichkeit der Menschen weit entfernt haben.“
Rainer Teuber: „Wir wollen nicht länger Christen zweiter Klasse sein“
Das Bistum verweist auf den Bericht und die Empfehlungen, die die Projektgruppe „Sexuelle Identität und Sexualmoral“ erarbeitet hat. Die Essener Supervisorin Claudia Fockenberg etwa findet die Kirche beim Thema Sexualität widersprüchlich. Dem Kirchenmagazin „Bene“ sagte sie: „Die Kirche tut sich nichts Gutes damit, wie sie mit lesbischen Frauen, schwulen Männern, Transmenschen – und auch mit Geschiedenen umgeht.“
Rainer Teuber hat „Bene“ bereits im Frühjahr 2020 ein Interview gegeben und darin eine Segnung für homosexuelle Paare verlangt, „die für alle sichtbar ist“. Damals wie heute sagt er: „Wir sind getaufte Christen und möchten nicht länger Christen zweiter Klasse sein.“