Essen. Eine Mahnwache an der Bottroper Straße gedachte zweier Fußgängerinnen, die im Verkehr getötet wurden. Grünphase für Fußgänger gefordert.

Der plötzliche Unfalltod einer 52-Jährigen im Essener Norden hat große Anteilnahme ausgelöst. Am Donnerstag, den 11. März, gedachten Vertreter des Vereins „Fuss e.V.“ gemeinsam mit Angehörigen der Frau. Sie wurde am 26. Februar von einem Auto überfahren, das von der Alten Bottroper Straße auf die Bottroper Straße abbiegen wollte.

Die Mahnwache hielten die Mitglieder des Vereins, der sich für Fußgänger einsetzt, am Unglücksort ab. „Der Lebensschutz muss mitgetragen werden. Das sind wir den Todesopfern schuldig. Und ihren Familien“, sagte Pfarrer Michael Heering in seiner Rede zu Beginn der Mahnwache.

Sein Blick ging zu den Angehörigen der 52-Jährigen, die etwas abseits standen. Zwei Opferschützerinnen begleiteten sie. Reden, über das, was passiert ist, wollen sie nicht. Zu groß ist der Schmerz über den Verlust.

Fußgängerinnen wurden 2018 und 2021 von Linksabbiegern getötet

Die Mitglieder von „Fuss e.V.“ forderten bei einer Mahnwache für getötete Fußgängerinnen Ampelschaltungen, bei denen Autos und Fußgänger nacheinander Grün bekommen.
Die Mitglieder von „Fuss e.V.“ forderten bei einer Mahnwache für getötete Fußgängerinnen Ampelschaltungen, bei denen Autos und Fußgänger nacheinander Grün bekommen. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Heering gedachte in seiner Rede gleich zwei Opfern, da sich vor drei Jahren ein sehr ähnlicher Unfall ereignet hatte. Eine 31-jährige Mutter wurde 2018 an der Stauderstraße zwischen Katernberg und Altenessen von einem Container-Lastwagen der Essener Entsorgungsbetriebe erfasst, als sie die Straße überqueren wollte.

Der Mann der Verstorbenen, Andreas Hoever, nahm an der Mahnwache teil. „Als ich von dem Unfall gehört habe, kam alles wieder hoch“, sagte er. Er unterstützt die Forderung des Vereins „Fuss e.V.“: eine separate Grünphase für Fußgänger.

„Fußgänger und Linksabbieger müssen getrennt signalisiert werden. So ist der Linksabbieger total überfordert: Er muss den Gegenverkehr im Blick haben, Radfahrer und Fußgänger. Und die Fußgänger wähnen sich in falscher Sicherheit“, findet Wolfgang Packmohr, Vorsitzender der Essener Ortsgruppe von „Fuss e.V.“

Unfall-Team der Polizei rekonstruierte Unfall

2020 wurden laut Polizei insgesamt 307 Fußgänger in Essen im Straßenverkehr verletzt. „Egal welches Verkehrsmittel man nutzt, jeder ist Fußgänger. Ob es auf dem Weg zum Auto, zur Bahn oder zum Fahrrad ist“, betont Packmohr.

Da Fußgänger zu den schwächsten Verkehrsteilnehmern gehörten, erfahre ihr Schutz bei der Polizei „eine besondere Bedeutung“, sagt Ulrich Sievers, Leiter der Verkehrsdirektion der Essener Polizei.

Er und sein Team rekonstruierten den Verkehrsunfall an der Alten Bottroper Straße. Durch den Einsatz spezieller Technik, wie 3D-Lasern, wollten sie herausfinden, wie genau es zu dem Unglück kommen konnte. „Über das Ergebnis kann ich noch nichts sagen. Aber es hat sich schon bezahlt gemacht, dass wir mit unseren Möglichkeiten der Spurensicherung vor Ort waren“, verrät Sievers.

Für eine Gedenkminute sperrte die Polizei die Straße.
Für eine Gedenkminute sperrte die Polizei die Straße. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

„Fuss e.V.“ fordert Sicherheit vor Leichtigkeit

Seiner Meinung nach sei die Idee getrennter Grünphasen in der Theorie „sehr, sehr gut, weil dadurch Konfliktpotenziale genommen werden.“ Sievers merkt allerdings an, dass eine gesonderte Grünphase für Fußgänger immer eine „Abwägungssache“ sei, jede Situation für sich betrachtet werden müsse.

Wie ist das Verkehrsgeschehen? Wie hoch ist das Fußgänger- und das Radaufkommen? All dies seien Faktoren, die berücksichtigt werden müssen. Sievers fürchtet, dass die Wartezeiten zu lang werden, denn: „Die Umlaufzeiten sind endlich. Nachher steht man zehn Minuten an der Ampel, bevor man fahren kann.“

Für Packmohr und die Teilnehmer der Mahnwache steht fest, dass die Sicherheit über der Leichtigkeit des Verkehrs stehen müsse. Die Entscheidung liegt bei der Stadt. Denn zuständig für die Ampelschaltung sind die örtlichen Straßenverkehrsbehörden.

Witwer Andreas Hoever: „Man fragt sich die ganze Zeit: Warum?“

„Das Thema Verkehrsfluss lasse ich nicht gelten. Da gehen Menschenleben verloren. Da warte ich doch lieber ein paar Minuten länger“, findet Andreas Hoever. Er fühlte mit den Angehörigen vor Ort mit: „Ich weiß ganz genau, wie sie sich gerade fühlen. Man fragt sich die ganze Zeit: Warum?“

Nach einer Schweigeminute, für die die Polizei den vorbeifahrenden Verkehr gestoppt hatte, stellte der Witwer eine rote Tulpe in eine Vase an der Straße. Die Angehörigen der verstorbenen 52-Jährigen folgten ihm. Sie blieben wenige Minuten an der Kreuzung stehen, rückten näher aneinander. Im Hintergrund rauschte der Verkehr vorbei.

Hoever und seinen Kindern macht der Verlust auch drei Jahre nach dem Unfall noch sehr zu schaffen: „Wir leben noch. Aber nichts ist mehr wie früher. Die Familie wurde auseinandergerissen.“