Essen. Kinderärzte erleben einen Einbruch bei Praxisbesuchen und Umsatz. In Essen sprechen sie von wirtschaftlichen Sorgen, denken auch an Entlassungen.
Seit Beginn der Corona-Pandemie sind die Kinderarztpraxen leerer: Eltern schieben aus Angst vor Ansteckungen offenbar Vorsorge-Termine und Impfungen auf, und die Kinder stecken sich im Lockdown seltener mit gängigen Infekten an. Wenn nun der Schutzschirm für Arztpraxen ausläuft, fürchten einer bundesweiten Befragung zufolge viele Kinderärzte um ihre Existenz. „Wir machen uns wirtschaftliche Sorgen“, sagt auch der Obmann der Essener Kinder- und Jugendärzte, Ludwig Kleine-Seuken.
Viele Kinderärzte denken über einen Personalabbau nach
Der Umfrage des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVJK) zufolge, sieht mehr als ein Drittel der befragten Kinderärzte die eigene Praxis als gefährdet an. Die Hälfte der Befragten plant einen Abbau von Personal, 84 Prozent zumindest die Reduzierung der Stunden. Kleine-Seuken hat jetzt eine Blitzumfrage gemacht, an der rund 20 Prozent der 44 Essener Kollegen teilnahmen. Viele von ihnen bestätigten das Bild.
Im Vergleich zum ersten Quartal 2020, das von der Pandemie weitgehend unberührt war, sind die Patientenzahlen im bis Ende März laufenden ersten Quartal 2021 deutlich eingebrochen. Aktuell gehen die Mediziner davon aus, dass sie 30 bis 40 Prozent weniger Praxisbesuche haben werden. Sie rechnen mit einem Umsatzverlust von 20 bis 30 Prozent. Das Bild sei uneinheitlich, betont Kleine-Seuken. Er selbst habe zum Beispiel erlebt, dass im ersten Lockdown viele Familien Vorsorge-Untersuchungen aufgeschoben hätten. In seiner Praxis habe sich das inzwischen normalisiert.
Ärztin hat Miese auf dem Konto und leidet unter Schlafstörungen
Er zitiert aber eine Kollegin, die einen deutlichen Einbruch erlebt und erklärt, dass sie nur Dank des Verdienstes ihres Mannes klarkomme. „Ich habe Miese auf dem Konto und Schlafstörungen, wäre ich Alleinverdienerin, hätte ich massive Existenzängste.“ Kleine-Seuken kann sich vorstellen, dass sich das Mitgefühl mit Medizinern, die als Gutverdiener gelten, in Grenzen hält. Allerdings erzielen Kinder- und Jugendärzte deutlich niedrigere Einnahmen als andere Fachärzte.
Hinzu komme, dass Kinderarztpraxen personalintensiv seien, etwa weil man Impfungen oder Blutabnahmen bei den kleinen Patienten oft zu zweit vornehmen müsse. Derzeit seien viele Kollegen zurückhaltend bei der Neueinstellung von Medizinischen Fachangestellten (MFA) und bei der Wiederbesetzung von Stellen.
Einsatz im Impfzentrum soll von Ausgleichszahlungen abgezogen werden
Erschwert wird die Lage, weil Ende März der Schutzschirm für Arztpraxen ausläuft, der im vergangenen Jahr einen guten Teil der Ausfälle ausgeglichen hatte. Nun ist offenbar ein abgespecktes Angebot geplant. „Unsere Forderung nach einem Schutzschirm hat politisch leider nur zu der Empfehlung der Umverteilung von Geldern geführt und nicht zu einem echten Ausgleich seitens der Krankenkassen“, sagt Christiane Thiele, Landesverbandsvorsitzende des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte Nordrhein.
![Beklagt, dass es keinen echten Ausgleich für Kinderärzte geben soll: Christiane Thiele, Landesverbandsvorsitzende des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte Nordrhein. Beklagt, dass es keinen echten Ausgleich für Kinderärzte geben soll: Christiane Thiele, Landesverbandsvorsitzende des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte Nordrhein.](https://img.sparknews.funkemedien.de/401276264/401276264_1682463876_v16_9_1200.jpeg)
So gebe es in der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Nordrhein Bestrebungen, Honorare, die Kinderärzte durch Nebentätigkeiten in ihrer Freizeit erwirtschaften, von möglichen Ausgleichszahlungen abzuziehen. Dabei gehe es etwa um Notdienste oder auch um Einsätze in Impfzentren – beides falle oft auf Abendstunden oder Wochenenden.
Wenn die KV nun beschließen sollte, „dass unser Engagement in Impfzentren mit Verrechnung des Honorars bestraft wird, mindert dies natürlich die Bereitschaft der Kolleginnen und Kollegen, sich am Wochenende noch in Impfzentren zu engagieren“, sagt Christiane Thiele. Zumal viele Kinderärzte in ihren Praxen weiter die gleichen Öffnungszeiten anböten und dadurch auch gleichbleibende Kosten hätten. Die Pläne könnten auch in Essen für Verärgerung sorgen: „Ein Großteil der Kinderärzte hier hat sich für Impf-Einsätze gemeldet“, sagt Kleine-Seuken.
„Wir werden gebraucht“
Der Obmann der Kinderärzte wünscht sich eine vernünftige Überbrückungshilfe für die Kinderarztpraxen, damit diese am Ende der Pandemie noch existieren: Sobald die Kinder wieder regelmäßig und ohne Masken in Kitas und Schulen gingen, würden sich auch Husten, Schnupfen, Magen- und Darminfekte wieder rasend schnell verbreiten. „Wir werden gebraucht.“