Wegen Corona sind in Essen zuletzt politische Sitzungen abgesagt worden. Unglaublich, dass es dafür keine digitale Lösung gibt, ein Kommentar.

Fraktionssitzungen finden online statt, auf Online-Parteitagen werden neue Posten vergeben, die Mitglieder des Seniorenbeirates treffen sich vor den Computern. Rat, Ausschüsse und Bezirksvertretungen dürfen aber nur in Präsenz tagen - auch nach knapp einem Jahr Corona. Das ist schier unglaublich, haben sich doch alle an Home-Office und Home-Schooling gewöhnt. Studenten schreiben ihre Klausuren vom heimischen Schreibtisch, Schüler erarbeiten sich zu Hause ganz neue Wissensfelder. Aber die Politiker aus Schonnebeck, Katernberg und Stoppenberg müssen sich leibhaftig treffen, um zu entscheiden, ob eine Querungshilfe für Fußgänger am neuen Aldi errichtet wird. So will es die Gemeindeordnung. Es ist an der Zeit, die Gemeindeordnung anzupassen.

Die Politiker haben keine Endgeräte und die Öffentlichkeit muss nachvollziehen können, was beraten und beschlossen wird. Soweit die Kernprobleme. Die Corona-Pandemie hat uns doch aber schon vor ganz andere Probleme gestellt. Es gibt Lösungen: Die Bürger könnten sich in der Videokonferenz hinzuschalten, es könnte auch aus den Ausschüssen und Bezirksvertretungen ein Livestream angeboten werden, Sitzungsprotokolle könnten am selben Tag erscheinen und für Bürger ohne Endgeräte sogar verschickt werden und letztendlich kann jeder zum Telefon greifen und sich bei verschiedenen Politikern informieren.

Es geht dabei doch ohnehin hauptsächlich um ein formales Problem. Faktisch finden viele politische Sitzungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Nicht, weil diese nicht zugelassen ist, aber weil nur wenige Bürger kommen. Zu hölzern der Ablauf, wenig spritzige Diskussionen, besonders für junge Menschen wenig Authentifizierung-Potenzial mit Teilnehmern und Themen - und das, obwohl es oft um Dinge geht, die direkt vor der Haustür der Bürger stattfinden. Die Digitalisierung wäre eine Chance, an diesem Ast zu knabbern. Per Video schaltet sich vielleicht auch die jüngere Generation zu, die Diskussionen würden lebendiger, der Altersdurchschnitt der Politiker bei kommenden Legislaturperioden niedriger.

Mögliche Pandemie-Lösungen ersetzen sicher keine Präsenzveranstaltung, sind aber besser als der komplette Ausfall. Ein paar Monate können die meisten Tagesordnungspunkte aufgeschoben werden, aber nicht unendlich. Einfach abwarten bis Corona vorbei ist? Bei den Schulen hat man sich dagegen entschieden und auf Home-Schooling umgestellt - eine Investition in die Zukunft, denn die nächste Krise kommt bestimmt. Zeit, auch in der Politik flexibel zu werden. Gewisse Bereiche des Lebens sollten auch in der Pandemie aufrecht erhalten werden. Der städtische Wirtschaftsausschuss, der auch für Digitales zuständig ist, ist am 12. Februar übrigens ausgefallen.