Essen. Die dritte Amtszeit für Umweltdezernentin Simone Raskob war grünes Herzensprojekt. Ausgerechnet Umwelt-Gruppen säen nun Zweifel an ihrer Arbeit.
Dass „die Zeit drängt“, dieser Satz gehört mit Blick auf den Klimawandel zu ihrem Standard-Repertoire. Umso mehr verwundert, wie viel Zeit sich neun Umwelt-Initiativen jüngeren Datums mit der Kritik an einer der Schaltstellen der Essener Umweltpolitik gelassen haben: Gerade mal vier Tage vor der geplanten Wiederwahl von Umweltdezernentin Simone Raskob werfen sie die Frage auf, ob die 59-Jährige für eine dritte achtjährige Amtszeit eigentlich eine gute Wahl ist.
Dass derlei Zweifel ausgerechnet aus dem Grünen-nahen Spektrum gesät werden, wo doch Raskobs Wiederwahl für die Partei stets ein Herzensprojekt war, hat dort hörbar irritiert: Eine Bilanz der Arbeit? „Jederzeit“, sagt Hiltrud Schmutzler-Jäger. Und dabei dürfe es selbstverständlich „gerne auch Kritik“ geben. Aber vorher nicht einmal das Gespräch zu suchen, um dann auf den letzten Drücker per „offenem Brief“ an gleich vier Dutzend Adressaten Stimmung zu machen, „das ist kein guter Umgangsstil“, ärgert sich die Fraktions-Chefin der Grünen im Rat.
Kritik von „Extinction Rebellion“ bis „Fridays for Future“
Während der Runde UmweltTisch (RUTE), seit fast 30 Jahren Forum der Essener Umweltschutzvereinigungen, stets zu Simone Raskob als Umweltdezernentin hielt, wird die Kritik an der Beigeordneten vor allem von eher „fundamentalistisch“ angehauchten Umwelt-Initiativen getragen, wenn denn der Begriff überhaupt passt.
Dazu zählen die „Bürgerinitiative Gladbecker Straße“, „Extinction Rebellion“ und „Fossil Free“, „Fridays for Future“ und „Granny`s for Future“, das Bündnis „Grüne Lungen für Essen“, das Team vom KlimaEntscheid, „Parents for Future“ und „Transition Town Essen im Wandel“.
Die Kritik ist unmissverständlich: „Wir sehen wesentliche Dinge (...) nicht umgesetzt“
Dies zumal sich die Breitseite gegen Raskob nur an den Ergebnissen bei Klima-, Arten- und Landschaftsschutz, bei Mobilität und Stadtplanung ausrichtet – und nicht an der Frage, wer die vermeintlichen oder tatsächlichen Mängel verantwortet. Ein Zeichen politischer Ahnungslosigkeit, raunen erfahrene Grüne hinter vorgehaltener Hand: „Wir verstehen das Anliegen“, heißt es, aber etwas nur ganz doll zu wollen, sei eben noch keine Politik. Man verweist auf sechseinhalb Jahre GroKo und auf die „dicken Bretter“, die Umweltschützer inner- wie außerhalb der Partei stets hätten bohren müssen, um wenigstens Teilerfolge zu erzielen.
Beim Runden UmweltTisch (RUTE), dem 1993 ins Leben gerufenen Debatten-Forum der „klassischen“ Umweltverbände, genießt Raskob denn auch einen guten Ruf – und kann sich auf eine Empfehlung zur Wiederwahl stützen. Von einer „Super-Zusammenarbeit“ spricht Georg Nesselhauf, wiewohl auch er weiß, dass man oft zu Kompromissen gezwungen war. Die jüngeren Umwelt-Initiativen von „Fridays for Future“ über den „KlimaEntscheid“ bis zu „Extinction Rebellion“ preschen dagegen weit ungeduldiger und kompromissloser vor: „Wir sehen wesentliche Dinge, die (...) erreicht werden sollten, nicht umgesetzt“, heißt es kurzerhand. Und würde 16 Jahre Raskobschen Wirkens gerne einer „kritischen Betrachtung“ unterziehen.
CDU stimmt für Raskob: „Nicht mit der Faust in der Tasche, sonder aus Überzeugung“
So etwas vier Tage vor einer seit Monaten im Raum stehenden Personalentscheidung anzuzetteln, das könnte etwas knapp werden, schwant dabei allerdings auch den neun Initiativen. Darum regen sie in dem Brief, der an den Oberbürgermeister, an Partein und Medien ging, an, die Wahl zugunsten einer ausführlichen Diskussion zu verschieben. Und wenn schon die Abstimmung anstehe, dann bitte eine geheime.
Die ist übrigens einfacher einzustielen, als die Stadtverwaltung dies noch vor ein paar Tagen skizziert hatte: Nicht ein Fünftel des Rates, sondern ein einziges Ratsmitglied reicht bereits, um einen nichtöffentlichen Urnengang zu erzwingen, so musste man sich am Montag im Rathaus korrigieren. Ob’s dazu kommt, ist derzeit ungewiss. Denn wenn auch im Schutz der geheimen Stimmabgabe einige Abweichler Raskob die Stimme verweigern, müsste für eine gescheiterte Wiederwahl der Frust auf die Dezernentin größer ausfallen, als er derzeit scheint.
CDU und Grüne jedenfalls geben sich unbeirrt: Bürgermeister Rolf Fliß von den Grünen hat „nicht den Hauch eines Zweifels“, dass Raskob eine dritte Amtszeit bevorsteht. Und Fabian Schrumpf, in dessen christdemokratischen Rats-Reihen es manche Raskob-Kritiker gibt, rechnet fest mit einer geschlossenen Wahlriege in der CDU: „Nicht mit der Faust in der Tasche, sonder aus Überzeugung.“