Essen. Der Essener Polizeipräsident ist sauer auf das Ministerium. Aber indem er es tadelt, stellt er sich zugleich demonstrativ vor seine eigenen Leute
Polizisten mit Hakenkreuzen, Hitlergruß und rechte Chats: Der Polizeiskandal erschüttert nicht nur das Essener Präsidium, sondern die gesamte NRW-Polizei. Noch steht das Ausmaß nicht fest. Aber es zeichnet sich ab, dass am Ende wohl nicht mehrere Dutzend Polizeibeamte strafrechtlich belangt werden, sondern weitaus weniger. Damit soll das Problem keinesfalls bagatellisiert werden. Jedes Hakenkreuz ist eins zu viel, erst recht auf einem Polizisten-Handy. Dasselbe gilt übrigens für Fälle willkürliche Polizeigewalt.
Die Quittung für dieses Verhalten bezahlen jetzt Tausende Polizistinnen und Polizisten, die mit Leidenschaft ihren harten Dienst versehen und tadellose Demokraten in Uniform sind. Zunehmende Respektlosigkeit hat ihnen schon vor dem Skandal den Dienstalltag erschwert. Jetzt müssen sie sich noch häufiger verhöhnen lassen. Ein Unding.
Auf der Suche nach der Wahrheit ist viel zu Bruch gegangen
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Es soll an dieser Stelle auch auf jene hingewiesen werden, die - wie sich zusehends herausstellt - zu Unrecht unter Verdacht gestellt wurden und wieder Streife fahren. Weil sie plötzlich auffällig lange zu Hause blieben, fingen Nachbarn und Verwandte an zu tuscheln: „Der etwa auch?“. Bei etlichen hat der bloße Verdacht zu einem schwer reparablen Knacks geführt, so mancher gestandene Kommissar brach in Tränen aus. Die nackte Existenz stand auf dem Spiel.
Es geht nicht darum, Mitleid zu wecken für Beamte, die nachweislich zum Extremismus neigen. Aber die jähen Verwerfungen, zu denen der Polizeiskandal, aber auch die Art und Weise seiner Aufarbeitung geführt haben, sind eine Tatsache. Auf der Suche nach der Wahrheit ist viel zu Bruch gegangen, was nicht oder nur sehr schwer zu kitten ist.
Der Polizeipräsident hat Recht, wenn er eindringlich davor warnt, seine Kolleginnen und Kollegen kollektiv verantwortlich zu machen für kriminelles Fehlverhalten einer kleinen Gruppe. Dass Richters Adressat ausgerechnet das Innenministerium ist, verleiht der Sache besondere Brisanz. Keinen einzigen Beamten des hiesigen Präsidiums zu Wort kommen zu lassen, ist tatsächlich ein kritikwürdiges Versäumnis der „Streife“.
In seiner Wut-Mail stellt sich der Behördenleiter demonstrativ vor seine eigenen Leute
Der eigentliche Adressat seines internen Schreibens dürfte aber in Wahrheit wohl die eigene Belegschaft sein. Denn die Botschaft, die von seiner Wut-Mail ausgeht, lautet auch: Schaut her, ich stelle mich demonstrativ vor Euch. An der Art, wie der Polizeipräsident personalpolitisch sein Haus führt, hatte es intern schon vor dem Skandal deutlich vernehmbare Kritik gegeben. Danach war das Murren noch lauter geworden.
Dass er seine eigene Frau ein halbes Jahr vor dem Polizeiskandal zur Extremismusbeauftragten befördert hatte, zeugte von Mangel an Fingerspitzengefühl. Sie mag fachlich noch so versiert sein, den Verdacht der Vetternwirtschaft nährt diese Personalie trotzdem. Nun wird auf den Fluren des Präsidiums heftig spekuliert, es könne bald einen neuen Extremismusbeauftragten geben. Besser wäre es.