Essen/Mülheim. Staatsanwaltschaft stuft Chats von bislang elf Polizisten als strafrechtlich relevant ein. Dies berichtete Innenminister Reul Landtagspolitikern.

Im Skandal um rechtsextreme Chats von Polizisten des Präsidiums Essen/Mülheim werden Anklagen zunehmend wahrscheinlicher. Mindestens elf Beamten einer Kegel-Gruppe könnten Gerichtsverfahren drohen. In dieser Größenordnung habe die ermittelnde Duisburger Staatsanwaltschaft eine strafrechtliche Relevanz bereits festgestellt, berichtete Innenminister Herbert Reul (CDU) jetzt vor Politikern des NRW-Landtages.

Es ist ein Zwischenstand, eine Momentaufnahme in einem monatelangen und viele zigtausende Aktenseiten starken Verfahren, dessen Fortgang die Staatsanwaltschaft im Gegensatz zur Landesregierung noch nicht kommentieren will. "Wir sagen derzeit nichts über Beschuldigte und den Stand der Verfahren", machte die Sprecherin der Duisburger Behörde, Marie Fahlbusch, deutlich. Nur so viel: Aktuell wird gegen 25 Beamte des Präsidiums ermittelt. Wann es zu möglichen Anklagen kommen könne, sei offen. "Die Auswertungen unter anderem wegen des Verdachts der Volksverhetzung dauern an."

Die "Kunta Kinte"-Gruppe hatte 15 Mitglieder

Gegenstand der Ermittlungen sind sichergestellte Handys und Datenträger, die bei Durchsuchungen Ende November und Mitte September entdeckt worden waren. Insgesamt 46 Polizisten, die überwiegend in Mülheim ihren Dienst versehen haben, standen da von einem auf den anderen Tag unter einem ungeheuerlichen Verdacht. Dass sich jetzt "nur" 25 von ihnen im Fokus der Staatsanwaltschaft wiederfinden, heißt aber auch: In 21 der Fälle handelte es sich aus Sicht der Strafverfolger um nicht strafbare Inhalte, die innerhalb der Chatgruppen ausgetauscht und kommentiert worden sind.

Die Ende November aufgeflogene Kegel-Truppe namens "Kunta Kinta" hatte 15 Mitglieder, davon seien 13 aktive Polizisten und zwei Pensionäre. Alle hatten einen Bezug zum Polizeipräsidium Essen, machte Innenminister Reul deutlich. Acht versahen ihren Dienst in Mülheim. Die aktiven Beamten seien suspendiert wurden, bei dem Rest werde ein Teil ihres jeweiligen Ruhegehaltes einbehalten. Einer der Chat-Teilnehmer sei inzwischen für ein anderes Bundesland tätig, das über den Fall informiert worden sei.

Ein Hakenkreuz auf eine Tafel gemalt

Unter anderem sollen sich die Mitglieder der Gruppe für ein Kegelspiel ein Hakenkreuz an eine Tafel gemalt haben, um sich davor fotografieren zu lassen. Zudem habe es entsprechende Sprüche und Bilder in dem entdeckten Chat gegeben. So wurden Handy-Fotos gesichert, die den Blick durch ein Zielfernrohr auf einen Menschen vermutlich arabischer Herkunft zeigen. Videos zum Terroranschlag auf Moscheen in Christchurch seien mit dem Kommentar bedacht worden: „Zu viele Fehlschüsse.“ Und unter dem Bild eines Maschinengewehrs fand sich in altdeutscher Schrift die Botschaft: „Wir senden auch auf Türkisch und Arabisch. Radio Germania 90,3. Geht ins Ohr, bleibt im Kopf.“

Auf die Kegel-Brüder waren die Ermittler nach eigenen Angaben durch die bereits angelaufenen Ermittlungen nach den Durchsuchungen wegen rechtsextremer Verdachtsfälle im September gestoßen. Zwei der "Kunta Kinte"-Spötter gehörten laut Innenministerium zu der zuvor enttarnten Chatgruppe mit nach Behördenangaben 31 Mitgliedern.

Die Disziplinarverfahren laufen weiter

Unabhängig von den staatsanwaltschaftlichen Straf- liefen gegen alle Beamten Disziplinarverfahren, wenn auch mindestens neun Suspendierungen unter anderem nach verwaltungsgerichtlichen Entscheiden im Nachhinein wieder aufgehoben worden sind, weil sie rechtlich nicht haltbar waren. Es soll wohl zeitnah eine 13.000 Seiten starke Ermittlungsakte übergeben werden, kündigte Innenminister Herbert Reul an.

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