Essen. Die Essener Grünen wollen den Bau von Einfamilienhäusern steuern. Im Essener Süden halten sie neue Eigenheime für überflüssig. Anders im Norden.

Die Essener Grünen sprechen sich gegen den Bau von Einfamilienhäuser im Essener Süden aus. In Quartieren im Norden der Stadt könnten neue Einfamilienhäuser hingegen zu einer sozialen Stabilisierung beitragen. Dies erklärte Christoph Kerscht, planungspolitischer Sprecher der Grünen-Ratsfraktion, im Gespräch mit der Redaktion. Kerscht äußerte sich auf Nachfrage zur bundesweit geführten Debatte über ein „Verbot für Einfamilienhäuser“.

Losgetreten hatte diese die Entscheidung des Bezirks Hamburg-Nord, der von einem Grünen Bürgermeister regiert wird, angesichts des hohen Bedarfs an Wohnraum keine Flächen mehr für Einfamilienhäuser in Bebauungsplänen auszuweisen.

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Auch in Essen sollte der Bau von Mehrfamilienhäusern Priorität haben, sagte Kerscht. Der Grüne wirbt aber für eine differenzierte Betrachtung.

CDU und Grüne wollen den Bau von öffentlich gefördertem Wohnraum vorantreiben

In ihrer Kooperationsvereinbarung für die neue Ratsperiode haben Grüne und CDU festgeschrieben, den öffentlich geförderten Wohnungsbau zu forcieren. Insbesondere an kleineren und seniorengerechten Wohnungen herrsche Mangel. Der Bau von Eigenheimen soll aber nach wie vor möglich bleiben. Die Stadtplanung soll sich an der Größe der Haushalte und an der Bevölkerungsentwicklung orientieren.

Im zurückliegenden Jahr wurden in Essen 1420 neue Wohnungen gebaut. Nach Angaben des Stadtplanungsamtes ist das ein neuer Rekord; die Zahl von 1084 neugebauten Wohnungen im Jahr zuvor wurde noch einmal übertroffen.

Eine detaillierte Auswertung über die Bautätigkeiten im Jahr 2020 durch das Amt für Statistik steht noch aus. Das Gros der Neubauten dürften jedoch einmal mehr Einfamilienhäuser sein. Deren Anteil sank 2019 auf 75,3 Prozent. Insgesamt wurden 137 Einfamilienhäuser gebaut. Weniger waren es zuletzt im Jahr 1997 mit nur 116.

Die meisten Einfamilienhäuser wurden zuletzt im Essener Süden gebaut

Dennoch bleibt das Einfamilienhaus die beliebteste Wohnform. Ihr Anteil an den Neubauten betrug in den Jahren 2012 bis 2017 durchschnittlich 83,1 Prozent. In diesem Zeitraum wurden die meisten Einfamilienhäuser im Essener Süden gebaut. Im Stadtbezirk IX (Werden, Kettwig, Bredeney) waren es 256, im Stadtbezirk VIII (Ruhrhalbinsel) 224. Die Stadt hatte dort auch größere Baugebiete ausgewiesen, so in Kupferdreh und Kettwig.

Auch im Essener Norden entstanden zahlreiche neue Einfamilienhäuser. Im Stadtbezirk V (Karnap, Altenessen, Vogelheim) waren es 192.

Deutlich angezogen hatte die Bautätigkeit nach 2004, als die Stadt unter der damaligen Ratsmehrheit aus CDU und FDP zahlreiche Flächen für den Bau von Einfamilienhäusern auswies – mit dem Ziel, Angebote für Familien zu schaffen, damit diese nicht aus Essen fortziehen. Bis einschließlich 2008 wurden daraufhin jedes Jahr etwa zwischen 350 und 400 neue Einfamilienhäuser gebaut. Diese Zahl wurde seitdem nicht mehr erreicht.

In Landschaftsschutzgebieten soll grundsätzlich kein Bauland mehr ausgewiesen werden

Statistisch werden neu gebaute Einfamilienhäuser meist von Personen bezogen, die bereits in Essen gewohnt haben. 2012 bis 2017 war dies bei 78,3 Prozent der Neubauten der Fall. Das politische Ziel, die Bürger in Essen die Möglichkeit zu bieten, ihre Wohnwünsche in Essen zu realisieren und sie in der Stadt zu halten, wurde also erreicht.

Um die Ausweisung neuer Baugebiete wird politisch seit Jahren immer wieder gerungen. In Kooperationsvereinbarung haben sich CDU und Grüne darauf verständigt, grundsätzlich kein Bauland in Landschaftsschutzgebieten, auf landwirtschaftlichen Flächen, im Wald sowie in regionalen Grünzügen auszuweisen. Einzelfallentscheidungen bleiben allerdings möglich.

„Im Essener Süden sollten eher keine Einfamilienhäuser gebaut werden, in der Fläche schon gar nicht“, erklärt dazu Christoph Kerscht. Dort, wo eine soziale Durchmischung der Wohnbevölkerung wünschenswert sei, könnten neue Einfamilienhäuser hingegen ein Gewinn sein, so Kerscht. Als beispielhaft nennt der Grünen-Politiker das Engagement des Allbau in Vogelheim. Die Wohnungsgesellschaft hat dort Wohnungen modernisiert und bereits Anfang des Jahrtausends Einfamilienhäuser gebaut.

Anteil der neuen Mehrfamilienhäuser steigt auf 20 Prozent

Laut dem aktuellen Wohnungsmarktbericht der Stadt Essen ist der Anteil von Einfamilienhäusern an Neubauten von 84,9 Prozent im Jahr 2017 auf 75,3 Prozent im Jahr 2019 gesunken. 2017 wurden in Essen 270 Einfamilienhäuser gebaut, 2018 waren es 198 und 2019 nur noch 137.Der Anteil neugebauter Mehrfamilienhäuser stieg in diesem Zeitraum von 12,9 Prozent im Jahr 2017 auf rund 20 Prozent im Jahr 2019.

In den südlichen Stadtteilen wird laut Kerscht das Thema demografische Entwicklung und alternde Bevölkerung voll durchschlagen: „In den nächsten zehn Jahren werden ganz viele Einfamilienhäuser frei, da sie von der älteren Generation bewohnt werden“, sagt er mit Blick auf die Herausforderungen für die Stadtplanung. Erforderlich seien deshalb Wohnkonzepte, um älteren Menschen eine Alternative zum Eigenheim anbieten zu können. Kerscht: „Da kommt einiges auf uns zu.“

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