Essen. Auslandsstudium trotz Corona? Drei Studierende aus Italien, Spanien und Indonesien über ihr außergewöhnliches Semester an der Uni Duisburg-Essen.

Die eigenen Sprachkenntnisse verbessern, Menschen aus der ganzen Welt kennenlernen und eine neue Kultur entdecken: Ein Auslandssemester ist für viele das Highlight ihrer Studienzeit. Doch die Corona-Pandemie durchkreuzte die Pläne vieler Studierenden.

„Ich hatte große Angst. Ich war mir unsicher, ob ich wirklich nach Deutschland fliegen sollte oder nicht“, sagt Martina Castronovi. Die 23-Jährige entschied sich dennoch dazu, ihre Heimat Italien im Oktober 2020 zu verlassen, um an der Universität Duisburg-Essen (UDE) zu studieren.

Studierende aus der ganzen Welt absolvieren trotz Corona ein Auslandsstudium an der Uni Duisburg-Essen

Martina ist eine von rund 50 Studierenden, die in diesem Wintersemester ein Auslandsstudium an der UDE absolvieren. Ihre Kommilitonen und Kommilitoninnen kommen hauptsächlich aus EU-Ländern, aber auch aus Japan, Korea, Russland oder China. Nun beginnt für sie die vorlesungsfreie Zeit.

Doch schon während des Semesters waren die wenigsten von ihnen vor Ort am Campus. Denn für die Universitäten in Deutschland gelten strenge Corona-Regeln, die meisten Vorlesungen und Seminare finden online statt.

Auslandsstudium im Lockdown ist mit vielen Unsicherheiten verbunden

Chezia Aviola hat deshalb lange überlegt, ob sie wirklich nach Deutschland kommen will, sich letztendlich aber dafür entschieden. Die 24-Jährige ist in Indonesien aufgewachsen und für ihr Studium nach Frankreich gezogen. Dass sie nun seit Oktober in Essen ist, bereue sie nicht, sagt Chezia.

„Es gab natürlich viel Unsicherheit, vor allem zu den Themen Einreise, Quarantäne und Online- oder Präsenz-Lehre“, so Laura Seidel. Sie ist für die Betreuung der Auslandsstudierenden zuständig. Schon Monate vor dem Semesterbeginn im Oktober 2020 stand sie mit ihnen in Kontakt, um sie zu beraten und ihre vielen Fragen zu beantworten.

Studentin Chezia bereut es nicht, während der Corona-Pandemie ein Auslandsstudium in Essen zu absolvieren. Die 24-jährige Indonesierin fühle sich sehr wohl in der Stadt, sagt sie. In ihrer Freizeit geht sie besonders gerne im Krupp-Park spazieren.
Studentin Chezia bereut es nicht, während der Corona-Pandemie ein Auslandsstudium in Essen zu absolvieren. Die 24-jährige Indonesierin fühle sich sehr wohl in der Stadt, sagt sie. In ihrer Freizeit geht sie besonders gerne im Krupp-Park spazieren. © FUNKE Foto Service | Foto:Kerstin Kokoska

Indonesische Studentin sieht auch Vorteile des Corona-Semesters

Insgesamt 60 junge Menschen sagten ihren Aufenthalt an der UDE wegen der vielen Einschränkungen ab. Chezia sieht mittlerweile sogar die Vorteile des Corona-Semesters: „Es war alles sehr gut organisiert und man hatte mehr Zeit zum Lernen.“

Einer der wenigen, der tatsächlich täglich zur Universität geht, ist Carlos Biurrun. Der 26-jährige Spanier forscht an der UDE für seine Doktorarbeit. So darf er als wissenschaftlicher Mitarbeiter das Uni-Gebäude betreten. Auch Carlos habe allerdings überlegt, seine Pläne zu ändern, denn: „Es ist nicht die beste Zeit für einen Auslandsaufenthalt.“

Uni Duisburg-Essen organisiert digitale Quizabende und coronakonforme Fahrradtour

Die Semesterplanung stellte die UDE vor große Herausforderungen. Da viele deutsche Studierende unter Einsamkeit und fehlender Motivation leiden, hat Laura Seidel versucht, den Aufenthalt für die jungen Menschen aus dem Ausland so abwechslungsreich wie möglich zu gestalten. Digitale Quizabende oder coronakonforme Fahrradtouren durch Essen und Duisburg sollten es ihnen ermöglichen, Freunde zu finden.

Generell würden Chezia, Martina und Carlos aber darauf achten, nur wenige Personen zu treffen. Italienerin Martina erzählt, dass sie große Angst habe, sich oder andere zu gefährden: „Ich bin nie wirklich entspannt und musste sogar schon in Quarantäne.“

Studierende sind sich uneinig über optimale Wohnsituation während der Pandemie

Martina ist sehr froh darüber, in einer großen Wohngemeinschaft zu leben. Sie wohnt in einer 7er-WG im Nordviertel. „Ich habe großes Glück. Ich fühle mich nicht einsam, obwohl ich weit weg von meinen Freunden und meiner Familie bin“, sagt die Italienerin. Sie und ihre Mitbewohner kochen und lernen oft zusammen oder gucken gemeinsam Serien.

Indonesierin Chezia hat sich hingegen bewusst dazu entschieden, in eine kleine Wohnung in Borbeck-Mitte zu ziehen, sagt sie: „Mir wurde ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft angeboten. Aber ich finde, dass es aktuell sicherer ist, alleine zu leben.“

Die italienische Studentin Martina wohnt zwar direkt bei der Uni, auf dem Campus war sie während des Semesters jedoch kaum. Denn ihre Lehrveranstaltungen fanden nur digital statt.
Die italienische Studentin Martina wohnt zwar direkt bei der Uni, auf dem Campus war sie während des Semesters jedoch kaum. Denn ihre Lehrveranstaltungen fanden nur digital statt. © FUNKE Foto Services | Foto: Kerstin Kokoska

Italienerin Martina: „Ich möchte ja auch das wahre Essen erleben.“

Anstatt Essen zu erkunden oder Reisen in ganz Deutschland zu unternehmen, verbringen die Studierenden ihre Freizeit vor allem in ihren Wohnungen. Carlos, der unter der Woche am Campus arbeitet, machen die Wochenenden daher besonders zu schaffen: „Von Montag bis Freitag habe ich viel zu tun. Aber am Wochenende würde ich gerne mehr unternehmen. So ist es schon etwas langweilig.“

Auch die Studentinnen Chezia und Martina stört, dass sie ihre Umgebung nicht richtig entdecken können. Martina versucht, kleinere Ausflüge zu unternehmen: „Den Baldeneysee finde ich sehr schön. Am besten gefällt mir Kettwig.“ Sie ist von deutschen Häusern und der postindustriellen Architektur begeistert. Indonesierin Chezia fühle sich ebenfalls wohl in Essen: „Es ist sehr grün hier, das hat mich überrascht. Ich mag die Mischung aus Stadt und Natur.“

Beide Studentinnen überlegen, nach ihrem Auslandsstudium in Deutschland zu bleiben. „Ich möchte ja auch das wahre Essen erleben und das Ruhrgebiet richtig entdecken“, sagt Italienerin Martina.