Essen. Weil die Stadtverwaltung sich weigert, eine vorgeschriebene Kostenschätzung abzugeben, wollen die Aktivisten sie nun gerichtlich dazu zwingen.

Nach mehreren vergeblichen Anläufen und allerlei Schriftwechseln mit der Stadtspitze ist den Initiatoren des geplanten Klinik-Begehrens jetzt der Kragen geplatzt: Sie wollen in Kürze vors Verwaltungsgericht in Gelsenkirchen ziehen, um die Stadt Essen dort zur Herausgabe dessen zu zwingen, was diese freiwillig nicht hergeben mag - eine Kostenschätzung für den Klinik-Entscheid.

Der ist Bedingung dafür, das vorgeschaltete Bürgerbegehren für die Übernahme von Krankenhäusern durch die Stadt überhaupt starten zu können. Und eigentlich haben Antragsteller jeglicher Couleur auch einen Rechtsanspruch darauf, dass man ihnen im Rathaus bei der "Preisfindung" zur Seite steht. Im Falle der Übernahme von Krankenhäusern im Essener Norden aber weigert sich die Stadt und verweist auf unabsehbare Kosten und den Umstand, dass ein Begehren am Ende womöglich eh rechtswidrig wäre.

Initiatoren: Stadt will das Begehren "durch die Hintertür und aus politischen Motiven verhindern"

Eine Weigerung, die die Initiative auf die Palme bringt: "Wir wehren uns dagegen, dass hier ein Bürgerbegehren durch die Hintertür und aus politischen Motiven verhindert wird", sagt Hans Peter Leymann-Kurtz, ehemaliger grüner Bürgermeister und einer von drei Vertretungsberechtigten des Begehrens.

Schützenhilfe erfahren die Akteure dabei durch den Verein "Mehr Demokratie", der es sich zur Aufgabe gemacht hat, landes- und bundesweit Elemente der direkten Demokratie zu fördern: Nach seiner Überzeugung setze sich die Essener Stadtverwaltung "eigenwillig über die Gemeindeordnung hinweg und greift dabei massiv in das kommunale Selbstverwaltungsrecht der Bürgerinnen und Bürger ein!", so Achim Wölfel, Leiter des Landesbüros NRW von Mehr Demokratie.

Mehr Demokratie: "Mehr als eine Schätzung muss dabei doch gar nicht herauskommen"

Aus der Frage, ob ein erfolgreicher Klinik-Entscheid am Ende den städtischen Haushalt sprengen und deshalb rechtswidrig sein könnte, habe sich die Verwaltung tunlichst herauszuhalten: Über die tatsächliche Zulassung "entscheidet nämlich der Rat der Stadt, nicht der OB oder seine ihm unterstehende Verwaltung", heißt es von Vereinsseite.

Es sei zudem nicht nachvollziehbar, wieso selbst eine überschlägige Kostenschätzung abgelehnt werde, denn mit dieser Begründung ließen sich laut Wölfel nahezu willkürlich unliebsame Bürgerbegehren verhindern. Bei vergleichbar komplexen Bürgerbegehren in anderen Städten, wie etwa einem Kölner Bürgerbegehren aus dem Jahr 2020, das eine Umstellung der städtischen Energieversorgung zum Ziel habe, sei eine Kostenschätzung übrigens auch möglich gewesen. Schließlich handele es sich bei einer Kostenschätzung um eben das: eine Schätzung, keine exakte Berechnung.

Ohne Eilbedürftigkeit könnte es bis zu einer Entscheidung bei Gericht noch Jahre dauern

Die offenkundigen Nöte der Verwaltung, im Rahmen der Kostenschätzung eine belastbare Zahl zu nennen, könne "nicht das Problem der Bürger sein, die von ihrem verbrieften Recht der Beteiligung und Mitsprache Gebrauch machen".

Offen ist noch, ob das zunächst zuständige Verwaltungsgericht in Gelsenkirchen auch eine Eilbedürftigkeit des Themas erkennt - wenn nicht, käme die Angelegenheit auf den "Unerledigt"-Stapel und bis zu einer Entscheidung könnten gut und gerne ein oder zwei Jahre Zeit ins Land gehen.

Zudem ist der Gang vor den Kadi mit Kosten verbunden. Um diese aufzubringen, soll in den nächsten Wochen und Monaten unter anderem eine Spendenkampagne gestartet werden.

>>> Klinik-Schließungen waren der Auslöser

Das Bürgerbegehren ist eine Reaktion auf die 2020 erfolgte Schließung zweier Kliniken im Essener Norden - das Marienhospital in Altenessen und das St. Vincenz-Krankenhaus in Stoppenberg.

Bereits im dritten Anlauf will man die Lücke in der dortigen Gesundheitsversorgung schließen und peilt dafür eine kommunale Trägerschaft an.

Die Begehrens-Frage lautet: „Soll die Stadt Essen die „Kommunale Kliniken Essen gGmbH“ gründen, und als deren Gesellschaftsgegenstand die Förderung der Gesundheitsversorgung in Essen durch Erhalt, Reaktivierung sowie Neugründung von wohnortnahen Klinikstandorten der Grund- und Regelversorgung festlegen?“