Essen. Menschen auf der Straße benötigen jetzt einen Schlafplatz und mehr Aufmerksamkeit. „Tristan“ hat ein Essener Hilfsangebot kurz kaltgestellt.

Zweistellige Minustemperaturen, zentimeterhoher Schnee und Eisregen - der plötzliche Kälteeinbruch birgt seit der vergangenen Woche ein besonders hohes Risiko für die Menschen, die auf der Straße leben. Obdachlose sind in diesen Wintertagen latent einer tödlichen Gefahr ausgesetzt. Ein warmer Schlafplatz und Mitmenschen, die sich um sie kümmern, werden für sie aktuell zu einer unverzichtbaren Überlebenshilfe. Die Stadt Essen, örtliche Hilfsorganisationen und Initiativen wissen um die Situation der Wohnungslosen. Sie haben reagiert und ihre Angebote ausgebaut.

Dennoch soll nach Augenzeugenberichten in der Nacht von Freitag auf Samstag eine dramatische Situation entstanden sein, als die DRK-Kältehilfezelte für Obdachlose in Essen-Borbeck wegen der Unwetter- und Sturmwarnung plötzlich nicht öffnen konnten. „Das war ein Schock“, berichtet Marcel Hauptmann von der Freiwilligen-Initiative „Essen packt an (EPA) - Eiskalt helfen“.

Für 20 Obdachlose kurzfristig eine Bleibe finden

Für 20 Menschen musste kurzfristig eine provisorische Bleibe gefunden werden. Kurzfristig fündig wurden die EPA-Aktivisten in dem Hostel „Ruhrtropolis“ (früher „Deutsches Haus“) von Feli Püttmann. Unter hohem Zeitdruck und mit erheblichem Stress sei die Not-Herberge hergerichtet worden. Betten mussten bezogen und Lebensmittel, Hygieneartikel sowie Kleidung beschafft werden. Und das alles unter Wahrung der Corona-Auflagen.

Marcel Hauptmann ist froh, dass das Kältezelt am Wolfsbankring in Borbeck seit Sonntag wieder geöffnet hat. 43 Ehrenamtler wirken derzeit bei „EPA - Eiskalt helfen“ mit. Besonders herausfordernd sei der Dienst in kalten Winternächten, wenn es darum gehe, Obdachlose im gesamten Stadtgebiet einzusammeln und nach Borbeck ins wärmende Kältehilfezelt zu bringen.

Die Stadt hat zusätzliche Hotelzimmer angemietet

Zusätzliche Hotelzimmer für Menschen auf der Straße hat auch die Stadt Essen kurzfristig angemietet. Nun stehen den Schutzbedürftigen sieben Zimmer mit 14 Betten zur Verfügung. Zusätzlich wurde der Tagesaufenthalt an der Maxstraße, wo sich die Betroffenen aufwärmen und heiße Getränke zu sich nehmen können, mit weiteren Tischen und Stühlen ausgestattet und die Öffnungszeit des Angebots um eine Stunde bis 18 Uhr verlängert, berichteten der städtische Sozialdezernent Peter Renzel und Petra Fuhrmann von der Zentralen Beratungsstelle für wohnungslose Frauen und Männer im Diakoniezentrum Essen-Mitte am Montag.

Obdachlose standen am Wochenende am Essener Hauptbahnhof Schlange für eine Fünf-Minuten-Terrine und eine Tasse Kaffe, die von EPA-Helfern ausgegeben wurden.
Obdachlose standen am Wochenende am Essener Hauptbahnhof Schlange für eine Fünf-Minuten-Terrine und eine Tasse Kaffe, die von EPA-Helfern ausgegeben wurden. © EPA | Hauptmann

Um 18 Uhr öffnet dann auch die Notübernachtungsstelle an der Lichtstraße, so dass eine lückenlose Versorgung möglich wird. Das Haus bietet insgesamt 37 Schlafplätze ausschließlich für Männer, seitdem in der Corona-Pandemie verschärfte Hygiene- und Belegungsstandards gelten. Frauen ohne Obdach kommen deshalb seit dem vergangenen Jahr an der Grimbergstraße in Kray unter. Seit Sonntag ist die Einrichtung rund um die Uhr geöffnet, damit die Bewohnerinnen der Weg bei Eiseskälte durch die Stadt zu den Wärmeräumen an der Maxstraße erspart bleibt. Von den dort 16 Plätzen waren im Januar im Tagesschnitt sieben bis neun belegt.

In der Notübernachtung waren zuletzt noch sechs Betten frei

In der Lichtstraße waren in der Nacht von Freitag auf Samstag noch zehn Betten frei, in der Nacht darauf waren es acht und von Sonntag auf Montag immer noch sechs, weiß Peter Renzel: „Mein Eindruck ist, das wir die Situation trotz Kälte und Corona gut im Griff haben.“

Im vergangenen Jahr hat die zentrale Beratungsstelle für Wohnungslose in der Essener Innenstadt 1472 Hilfesuchende betreut und beraten. Das waren rund 14 Prozent weniger als im Jahr zuvor. Für Petra Fuhrmann erklärt sich dieser deutliche Rückgang durch Maßnahmen in der Corona-Pandemie. So war die Klientel während des Lockdowns weniger mobil, mit der Folge, dass die Beratungsstelle kaum Anfragen aus anderen Städten erhalten hat. Zudem war zumindest bis Ende Juni die Zwangsräumung von Wohnungen ausgesetzt und der Zugang zu staatlichen Unterstützungsleistungen wurde vereinfacht.

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